Toedliche Luegen
Wiederkehr offenzuhalten.
In ungläubiges Staunen versunken s chüttelte sie den Kopf. Karo musste in der Tat über einen siebten Sinn verfügen, anders ließ sich diese Übereinstimmung kaum erklären. Ihre Freundin hatte mehr als einmal ein überzeugendes Geschick dafür bewiesen, sich in die Psyche anderer Menschen hineinzuversetzen. Karo, die sensibelste und einfühlsamste der unzertrennlichen Drei, tat diese Behauptung stets als Spinnerei ihrer Freundinnen Suse und Beate ab und pochte darauf, als Kybernetiker ein vollkommen nüchtern denkender Mensch zu sein. Das allerdings nahm ihr inzwischen niemand mehr ab. Denn sehr viel erfolgreicher und gewinnbringender ging sie ihrem Hobby nach, der Malerei.
Die Erinnerung an Karo ließ Beate wehmütig seufzen. Acht Jahre lang hatten sie beide nebeneinander auf der Schulbank gesessen und sich einen Spaß daraus gemacht, mit ihrer legendären Schwatzhaftigkeit die Lehrer an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Susanne Reichelt und Catherine Tailor waren Karo und Beate über acht Jahre das unzertrennliche Kleeblatt der Schule gewesen. Und auch nachdem sich ihre Wege getrennt hatten, weil sie an verschiedenen Universitäten studierten, besuchten sie sich regelmäßig.
Bis Cat bei einem Unfall ums Leben gekommen war.
Beate fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Der Schmerz über den Verlust ihrer Freunde saß noch immer so tief, dass sie mit den Tränen kämpfte. Wie viele Pläne für ihre Zukunft hatten sie geschmiedet, wie bunt und aufregend hatten sie sich ihr Leben nach der Ausbildung vorgestellt. Leider war die Glücksgöttin anderweitig beschäftigt gewesen.
Sie wagte kaum zu atmen, als sie d urch die geöffnete Tür in das Zimmer lugte. Und wenn es eine Seifenblase war, die zerplatzte, sobald sie einzutauchen versuchte? Die Möbel und Teppiche, Tapeten und Vorhänge, selbst die Bilderrahmen, Bücherregale, Kerzenständer und Blumentöpfe – einfach alles war bis ins kleinste Detail farblich aufeinander abgestimmt und in Silber, Schwarz und Blau gehalten. Sie konnte sich nicht erinnern, ihrem Vater von ihrer Vorliebe für diese Farben erzählt zu haben.
„Ich hoffe, es gefällt Ihnen, Mademoiselle.“ Juliette stand gedul dig abwartend hinter Beate.
Die riss sich von ihren Gedanken los und hob die Hände, um ihre Sprachlosigkeit zu demonstrieren.
„E s ist wundervoll“, hauchte sie. „Einfach perfekt.“
„Dann werde ich Sie für einen Moment allein lassen und einen kleinen Imbiss vorbereiten. Die Küche befindet sich im Erdgeschoss gleich neben dem Frühstückszimmer. Aber sehen Sie sich erst einmal in aller Ruhe um. Und bitte, fühlen Sie sich nicht wie ein Gast im Chez le Matelot . Es ist ab sofort auch Ihr Zuhause, Mademoiselle.“
Mit einem Jauchzen warf Beate ihre Reisetasche auf das breite Bett. Es stand in einer durch einen naturfarbenen Vorhang aus Organza vom Wohnraum abgetrennten Nische und war von der Tür aus nicht einsehbar. Sie konnte kaum fassen, welch herrlicher Blick sich ihr von dort hinaus auf den Park mit seinen farbenprächtigen Blumen, uralten Bäumen und sorgfältig gestutzten Hecken bot. Bereits jetzt wurde sie von einer unbändigen Vorfreude darauf erfasst, am frühen Morgen vom Gezwitscher der Vögel geweckt zu werden. Vergnügt ließ sie sich auf das Bett fallen und streckte die Hand instinktiv nach dem schnurlosen Telefon auf dem gläsernen Nachttisch aus, um Suses Rufnummer zu wählen.
Oh nein , wie hatte sie das vergessen können! Enttäuscht ließ sie den Hörer wieder sinken. Suse war noch zwei Tage mit ihren Eltern am anderen Ende der Welt unterwegs und telefonisch nicht erreichbar. Und selbst nach ihrer Rückkehr müsste sie schon unerhört viel Glück haben, wollte sie Suse noch einmal sprechen. Denn Anfang Oktober sollte sie zu ihrer ersten Reise als Funkassistentin auf ein Schiff der Handelsflotte aufsteigen.
Ob schon ihr die Veränderungen in ihrem Leben bereits ausreichend Herzklopfen bescherten, beneidete sie ihre Freundin, die nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums am Ziel all ihrer Wünsche angelangt war.
Sus anne Reichelt würde zur See fahren.
Sie dagegen fühlte sich wie eine einsame Radkappe am Straßenrand, unbemerkt verloren gegangen und nirgends mehr zu Hause. Nutzlos geworden und jedem bloß im Wege. Die Pracht und Schönheit, die sie in der Villa umgaben, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich momentan viel lieber mit wenigstens
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