Toedliche Luegen
Hauptgewinn bei der allmorgendlichen Verteilung der Arbeit gezogen, was Ärzte, Schwestern und Patienten an ihrem lebhaften Mienenspiel, dem verträumten Lächeln, an jeder noch so kleinen Bewegung ihres zierlichen Körpers erkennen konnten. Heute endlich war Denise die Glückliche, die zur Betreuung des vor zwei Tagen eingewiesenen und bereits zum Favoriten der Station avancierten Mannes eingeteilt war.
I n kürzester Zeit hatte sich Alain Germeaux nicht allein einen Namen als der arroganteste und anspruchsvollste Patient der Klinik gemacht, seinen sprunghaften Launen verdankte er ebenfalls den Ruf als unberechenbarer Macho. Jedem war gegenwärtig, aus welch vermögender Familie er stammte, doch in der Hauptsache, und darin waren sich die Damen jeden Alters ausnahmslos einig, sahen sie in diesem Neuzugang den mit Abstand attraktivsten Gentleman mit perfekt geschliffenen Manieren – so er sie denn einzusetzen gedachte, wohlgemerkt.
Bei diesem Hintergrund verwunderte es nicht, dass Schwester Denise vergnügt und mit strahlendem Gesicht durch die Flure wirbelte und jede freie Minute vor dem Spiegel zubrachte, bis endlich die Zeit zum Wecken der Patienten nahte.
„Guten Morgen, Monsieur Germeaux“, flötete sie beim Betreten des Krankenzimmers und ihr verliebtes Herz flatterte vor Aufregung wie ein sturzbetrunkener Schmetterling. „Ich bin Denise und heute allein für Sie da. Hoffentlich hatten Sie eine angenehme und ruhige Nacht.“
„Oh, Schwesterchen, liebes, wie sollte das wohl möglich sein? Ruhig? Ja. Himmel, viel zu ruhig! Eine angenehme Nacht indes? Wie denn, wenn ich allein in diesem harten, kalten Klinikbett mehr vor mich hin vegetiere als lebe, von niemandem umsorgt und ungeliebt“, erwiderte der schwarzhaarige Patient mit provokant leidender Stimme, welche jedoch von seinem lüsternen Augenaufschlag sogleich Lügen gestraft wurde. „Ich bin bereits völlig auf Entzug.“
Sein theatralischer Seufzer zauberte ein Lächeln auf die Lippen der Schwester. „Aber Monsieur , ich muss doch bitten!“
„ Tun Sie das. Bitten Sie mich um alles, ganz wie es Ihnen beliebt.“
Amüsiert registrierte Alain, wie sich bei seinen anzüglichen Worten ihre Wang en mit leichter Röte überzogen.
„Schwesterherz , habe ich Sie etwa in Verlegenheit gebracht? Mon dieu , das war keineswegs meine Absicht. Verzeihen Sie, meine Schönste. Wie kann ich das jemals wieder gutmachen? Ich stehe unendlich tief in Eurer Schuld. Verlangt von mir, was immer Ihr wollt, fordert Genugtuung und sie wird Euch gewährt.“
Schwester Denise verzog kokett den roten Schmollmund und wisperte: „Sagen Sie nicht so etwas, Monsieur Germeaux. Ich könnte Sie sonst beim Wort nehmen.“
Sie trat näher an sein Bett und streckte mit einer auffordernden Geste ihre zierliche Hand aus. „Und jetzt nehmen Sie bitte einen Moment auf dem Stuhl Platz, damit ich Ihr Bett frisch beziehen kann. Stecken Sie in der Zwischenzeit das Thermometer zum Fiebermessen in den Mund.“
„Wenn ich nun aber Appetit auf etwas ganz anderes habe?“, raunte er ihr heiser zu. „Und etwas ganz anderes in meinen Mund nehmen will, um es mit meiner Zunge zu berühren? Daran zu lecken und zu saugen, davon zu kosten?“
Er schwang seine endlos langen Beine aus dem Bett, doch a nstatt der Schwester das Thermometer abzunehmen, ergriff er blitzschnell ihr schmales Handgelenk und zog Denise zwischen seine Knie, während seine langen Finger spielerisch über ihre seidenweiche Haut glitten. Er spürte, wie sich die feinen Härchen auf dem schlanken Arm der Frau unter wohligem Schauder aufrichteten, und schlug sich in Gedanken triumphierend auf die Schulter. Ihm widerstand kein weibliches Wesen, wenn er erst einmal seine Netze ausgeworfen hatte – und sei es einzig aus dem Grund, sich selbst sein überwältigendes Charisma zu bestätigen. Dabei verblüffte es ihn ein ums andere Mal, wie leicht diese albernen Dinger auf seine hohlen Schmeicheleien hereinfielen und sein dummdreistes Geschwätz für bare Münze nahmen, ja, wie sie sich regelrecht danach verzehrten, von ihm an der Nase herumgeführt zu werden und riesenhafte Narren aus sich machen zu lassen. Wie sie sich aufgefordert fühlten, ihm ein „Verkauft“-Schild um den Hals zu hängen.
„Ich habe Appetit auf kleine, süße Schwestern und rosige, feste Beeren, die sich mir entgegen recken und sich nach meinem hungrigen Mund sehnen“, flüsterte Alain unzweideutig mit schmachtender Stimme. Er blickte auf und fuhr sich
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