Tödliche Mitgift
tänzelnden Schritten ihrem Schreibtisch. Pia, die immer noch an dem Bericht über die Ereignisse in Italien saß, drückte auf Speichern und rollte dann mit ihrem Stuhl ein Stück von ihrem Schreibtisch ab. Diese Art der Annäherung kannte sie. Heinz Broders steuerte so für gewöhnlich auf ein bestimmtes Ziel zu, und es konnte eigentlich nichts Gutes sein. Sie zwang sich, sich auf den verbalen Schlagabtausch zu konzentrieren, der unweigerlich folgen musste. Immerhin würde Broders sie so von den seltenlangen, staubtrockenen Protokollen ablenken … und von einigem anderen auch.
»Du hast dein Flugzeug verpasst, habe ich gehört.«
»Ja. Perugia liegt circa hundertfünfzig Kilometer von Florenz entfernt. Die Kollegin, die mich zum Flughafen gefahren hat, und ich, wir haben wohl den Feierabendverkehr etwas unterschätzt.«
»Das war ja ärgerlich für dich.«
»Es gibt Schlimmeres.« Worauf wollte er hinaus? Broders konnte keinesfalls etwas über ihre Begegnung mit Marten wissen, auch wenn er manchmal über fast hellseherische Fähigkeiten verfügte. Er sah und hörte, ja er roch selbst feinste Unregelmäßigkeiten, wenn er jemanden aufs Korn genommen hatte. Pia überlegte, ob sie das Gespräch mit dem Hinweis auf die vor ihr liegende Arbeit abbiegen sollte oder ob sie es besser gleich hinter sich brachte.
»Dein Freund hat dich wohl deshalb auch nicht vom Flughafen abholen können?«, fasste Broders zielsicher nach.
»Er musste arbeiten. Wie wir alle.«
»Ach so. Ich dachte schon, es gibt vielleicht irgendwelche Probleme zwischen euch.«
»Darf ich dir was anvertrauen, Broders?«
»Ah … ja.«
»Es geht dich nichts an.«
Er grinste sie fröhlich an. Die Information, derentwegen er hereingekommen war, hatte er wahrscheinlich eben schon an ihrer Miene abgelesen. Die Geschichten über die Beziehungen seiner Mitmenschen, seien es nun geschlechtliche, ungeschlechtliche, gleich- oder verschiedengeschlechtliche, schienen die Würze seiner tagtäglichen Gedanken zu sein. Der Nährboden, auf dem sicherlich auch seine kriminalistische Menschenkenntnis prächtig gedieh.
24. Kapitel
W ir haben inzwischen einen Hinweis darauf bekommen, warum Ihre Frau nach Perugia gereist ist. Sie fühlte sich angeblich von jemandem verfolgt. Deshalb ist sie aus Lübeck verschwunden.«
»Davon weiß ich nichts. Warum hat sie mir denn nichts davon gesagt?«, fragte Ole Dreyling, zwischen Wut und Resignation schwankend. Horst-Egon Gabler hatte einer weiteren Vernehmung von Ole Dreyling zugestimmt, um einerseits die neuen Ermittlungsergebnisse aus Perugia an ihn weiterzugeben und andererseits weiterführende Informationen von ihm zu erhalten. Gabler nahm dieses Mal persönlich an der Vernehmung teil, denn es schien notwendig zu werden, die Ermittlungen auf das gesamte Team auszudehnen.
»Genau diese Frage stellen wir uns auch. Vielleicht kommen wir mit vereinten Kräften der Lösung näher. Wie war das Verhältnis zu Ihrer Frau, kurz bevor und nachdem sie aus São Paulo abgereist ist?«
»Das sagte ich Ihnen doch schon beim letzten Mal, Frau Korittki«, antwortete Ole Dreyling, »Ihr Kollege hat doch alles mitgeschrieben. Annegret war gereizt und enttäuscht, weil es ihr in São Paulo nicht gefiel. Sie gab mir die Schuld daran und wollte, dass ich mit ihr zurückflog, aber das war unmöglich!«
»Warum war es unmöglich?«
»Wir standen dort kurz vor der Unterzeichnung wichtiger Geschäftspapiere. Ich habe da eine gewisse Verantwortung meiner Familie gegenüber, doch das begriff Annegret einfach nicht.«
»War der geplante Ehevertrag zwischen Ihnen noch mal zur Sprache gekommen?«
»Auch das«, gab er nach kurzem Zögern zu. »Aber Annegret war vernünftigen Argumenten irgendwie nicht zugänglich. Das war es ja einerseits, was ich an ihr so mochte. Sie war überhaupt nicht berechnend …«
Wenn er sich da mal nicht täuschte, dachte Pia. Laut fragte sie: »Und andererseits?«
»Für die Gründung der neuen Firma war das ein gewisses Risiko. Aber kein großes, denn ich weiß, sie hätte es noch eingesehen, wenn wir nur etwas mehr Zeit miteinander gehabt hätten. Ich wollte ihr Venedig zeigen und New York …«
Pia und Gabler wechselten einen Blick. Der nicht zustande gekommene Ehevertrag blieb demnach weiterhin ein Thema bei den Ermittlungen.
»Okay. Ich möchte Sie bitten, sich gleich ein Bild anzusehen, dass von einem Phantombildzeichner erstellt worden ist. Lassen Sie sich beim Betrachten Zeit, und sagen Sie mir dann, ob
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