Tödliche Mitgift
annehmbare Alternative zu der Übernachtung unter einer Brücke. Ansonsten wäre es schwierig geworden, denn auch in Florenz war Hochsaison; die Hotels waren alle so gut wie ausgebucht. Nachdem Pia sich einen Rückflug für den nächsten Morgen organisiert und alle, die es anging, über ihren »verpassten« Flug informiert hatte, fiel die Anspannung der letzten Tage etwas von ihr ab. Die Ablenkung, die durch das Telefonieren und die Fahrt mit dem Taxi entstanden war, hatte sie aber gleichzeitig auch ernüchtert. Inzwischen war es kurz vor halb zwölf. Sie rieb sich die Arme.
»Ist dir kalt?«, wollte Marten wissen.
»Die Klimaanlagen in den Hotels sind immer zu hoch eingestellt«, antwortete Pia.
»Findest du?«
Er trug ein Oberhemd mit langen Ärmeln, sie ein dünnes Top. »Entweder du ziehst dir etwas aus oder ich mir etwas an«, sagte sie und zog ihn zu sich auf das breite Doppelbett.
»Entscheide du …«, forderte er. Sie begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
»Warum tragen so viele Italiener langärmelige Hemden und sogar Anzüge bei vierzig Grad Celsius im Schatten?«
»Weil sie so arbeiten. Und um nicht wie Touristen auszusehen, nehme ich an …«
Pia streifte ihm das Hemd ab und betrachtete ihn ausgiebig. Seine Hände umfassten ihre Taille, wanderten unter ihr Top … Sie schüttelte irritiert den Kopf.
»Was hast du?«
»Oberhemd – okay, Anzug – auch okay. Aber kein Mann trägt freiwillig im Hochsommer in Italien einen Rollkragenpullover. Oder täusche ich mich?«
»Ich glaube, nicht …«, meinte Marten, als er ihr das dünne Hemdchen über den Kopf zog.
Pia strich ihre Haare zurück. »Aber der Typ, den die Angestellte im Guarini am Abend des Mordes in der Nähe von Annegrets Zimmer gesehen hat, ist auf dem Phantombild in einer Art Rollkragenpullover dargestellt.«
»Gibt es keine Auflistung der Kleidungsstücke?«, fragte Marten mit einem Seufzer und starrte auf die hellen Wölbungen ihrer Brüste in dem schwarzen Büstenhalter.
»Ja, ich meine, dort stand etwas von einem dunklen Rollkragenpullover, aber ich kann mich auch täuschen. Ich hätte schon längst darüber stolpern müssen. Wenn es ein Rollkragenpullover war, und sei er auch aus noch so dünner Baumwolle, dann trug ihn dieser Mann nicht ohne besonderen Grund.«
»Und der wäre?«
»Er wollte etwas verbergen …«
»Ich hoffe nur, du willst nichts vor mir verbergen«, sagte Marten drängend. Pia lächelte und zog ihn näher zu sich heran.
23. Kapitel
M arzipanschnittchen und Erdbeertörtchen – ist die Erdbeerzeit nicht eigentlich schon vorbei, Heinz?«
»Keine Ahnung, Mutter. Die Törtchen lagen in der Auslage und haben mir zugeflüstert: Nimm mich! Außerdem sah die Schwarzwälder Kirschrolle heute schon so matschig aus«, sagte Broders.
»Ja, unser Bäcker hat nachgelassen, seit der Sohn den Laden übernommen hat. Neulich hat der mir Brot verkauft, das war innen noch klitschig. Ich habe es ihm postwendend zurückgebracht. Möchtest du einen normalen Kaffee oder einen kastrierten?«
»Gib mir bitte von dem koffeinfreien. Ich hatte heute schon viel zu viel Kaffee. Wir haben vielleicht einen Stress im Büro, und dabei kaum Leute …«
»Hast du mit dem Raubüberfall zu tun?«
»Auch … Das hast du wohl wieder aus der Zeitung aufgeschnappt, oder? Ich habe dir jedenfalls nichts davon erzählt.« Er war sich nicht ganz sicher. Manchmal erzählte er ihr von den Fällen, an denen er arbeitete. Nichts wirklich Vertrauliches, und er nannte schon gar keine Namen, aber immer noch mehr, als er eigentlich für richtig hielt. Aber er war auch nur ein Mensch, und wenn er nicht mal seiner Mutter von seinem Alltag erzählen durfte, mit wem sollte er dann überhaupt noch plaudern?
»Nein, nein. Es gab einen Artikel in den Lübecker Nachrichten. Willst du zuerst das mit den Erdbeeren?« Der grüne Kunststoff-Tortenheber aus der Tupperware-Kollektion schwebte über dem Kuchenteller.
»Marzipan zuerst«, antwortete er zerstreut. »Bei uns brennt die Luft, und Gabler zeigt sich immer seltener im Kommissariat. Wahrscheinlich ist bei ihm auf dem Posten langsam die Luft raus …«
»Wird es nicht allmählich Zeit für eine Neubesetzung?«, fragte seine Mutter und schaufelte sich ein Erdbeertörtchen und eine Marzipanschnitte auf ihren Teller. Trotz ihres regelmäßig ein Mal in der Woche stattfindenden Kuchengelages hatte sie für ihre fast achtzig Jahre eine erstaunlich gute Figur.
Wahrscheinlich ein Bandwurm, überlegte er und schob den
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