Tödliche Nähe
in das Büro und schloss die Tür genau vor Miss Tuttles erstauntem – und wütendem – Gesicht.
Oh Mann, dafür würde er später noch etwas zu hören bekommen, dachte Ezra. Und er selbst wollte es auf jeden Fall an Law auslassen. Falls er die Gelegenheit dazu bekam.
Seufzend fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. »Law, ich habe jetzt keine Zeit. Ich bin todmüde, hab viel zu viel zu tun, und ich muss heute noch zurück zum Tatort.«
»Das hier ist wichtiger«, erwiderte Law tonlos.
»Wichtiger?« Grinsend hakte Ezra die Daumen in die Hosentaschen und verlagerte zerstreut das Gewicht auf sein rechtes, sein gesundes Bein. »Was kann denn wichtiger sein, als so viele Hinweise wie möglich zusammenzusuchen, die uns schließlich zu einem Mörder führen könnten?«
Law legte Nia eine Hand auf die Schulter, dann blickte er wieder zu Ezra. »Wie wäre es hiermit: Anscheinend weiß Nia, wer der Mörder ist.«
In diesem Moment hätte ein Gorilla in einem pinken Tüllröckchen vor dem Bürofenster Ballett tanzen können, und Ezra hätte es nicht bemerkt. Prüfend musterte er Nia. Sie hielt die Augen geschlossen und sah ziemlich blass – nahezu aschfahl – aus. Ihr Atem war kaum mehr als ein flaches Keuchen. Besorgniserregend.
»Nia?«
Sie schluckte schwer und schaute auf. Dann zog sie etwas aus der Hosentasche – eine Plastiktüte. Sie hielt sie so zwischen den Fingerspitzen, als könnte sie es nicht ertragen, sie zu berühren.
»Ihr werdet etliche Fingerabdrücke darauf finden«, fuhr Law fort. »Nias, meine … und wahrscheinlich noch von anderen Leuten. Wir haben es im Inn gefunden.«
Nia öffnete den Mund, um noch etwas hinzuzufügen, doch Law ergriff blitzschnell ihre Hand, drückte sie kurz und schüttelte den Kopf.
Ezra kniff die Augen zusammen. »Was geht hier vor, Reilly?«
»Nichts, was du wissen müsstest.«
»Und warum nehme ich dir das dann nicht ab?«, brummte der Sheriff, warf Law einen finsteren Blick zu und trat hinter dem Schreibtisch hervor. Er nahm Nia die Tüte ab und hob sie hoch. Als er erkannte, was darinlag, rutschte ihm für einen Moment das Herz in die Hose, dann schlug es ihm bis zum Hals.
Das Armband. Kathleen Hughes …
Verdammt! Er hatte ein paar Nachforschungen zum Tod dieses Mädchens angestellt, nachdem Nia bei ihm gewesen war und ihm ihren Bericht gezeigt hatte. Ja, das Schmuckstück in der Tüte entsprach der Beschreibung. Aber trotzdem … Himmel, Carter kaufte Roz ständig irgendwelche Ketten und Armbänder.
»Es weist nicht nur die Inschrift auf, von der ich Ihnen damals erzählt habe«, sagte Nia mit tonloser Stimme. »Ihr Freund hatte die Gravur für sie anfertigen lassen. Aber das ist nicht alles.«
Ezra drehte das Schmuckstück um.
Für meinen Engel.
Außerdem war es mit einem kleinen blauen Saphir besetzt.
»Kathleens Geburtsstein«, flüsterte Nia.
Ezra schaute auf und schloss fest seine Hand um das Armband. »Und Sie haben es im Inn gefunden?«
Nia nickte ruckartig, setzte zu einer Antwort an, schwieg dann jedoch.
Aber sie brauchte auch gar nichts mehr zu sagen. Denn in diesem Augenblick … tauchten vor Ezras innerem Auge die fehlenden Puzzlestücke auf, nach denen er die ganze Zeit über gesucht hatte.
Der Mann, der ihm beim Bezirksamt aufgefallen war … Er hatte ihn nicht zuordnen können, weil etwas an seinem Aussehen anders gewesen war.
Carter.
Carter verflucht noch eins Jennings. Er hatte anders ausgesehen, keine Haare gehabt … ja, er war kahl gewesen.
Was in Dreiteufelsnamen …?
»Verdammte Axt, Lena ist im Inn «, knurrte Ezra.
Carter stellte fest, dass ihm die Asche ausging. Er hatte es schon kommen sehen. Und wenn ihm seine Spezialzutaten nicht zur Verfügung standen, konnte er auch keine Glasur herstellen. Zwar war er äußerst sorgfältig mit seinen Vorräten umgegangen, aber nun gingen sie dennoch zur Neige. Dabei liebte Roz die Pötte mit diesem Glanz abgöttisch. Doch was sollte er tun?
Seufzend fügte er etwas mehr Kupferoxid hinzu. Am Ende würde es sicher hinreißend aussehen. Das Gemisch ergab einen tiefen, weinroten Schimmer, den nur ein paar der Arbeiten erhalten würden, die er gebrannt hatte. Und einer der Töpfe war als Jubiläumsgeschenk für Roz gedacht.
Die Glasur musste also perfekt sein. Und da er seine allerletzte Asche dafür verwendet hatte, würde sie das auch werden. Die Asche gab den Töpfen einen ganz besonderen Glanz … als ob sie von innen heraus leuchten würden, eine Seele besäßen.
Nach seinem
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