Tödliche Nähe
gewesen, doch mit der Zeit hatte er die Vorteile erkannt. Ohne Haare sank die Wahrscheinlichkeit, dass er Spuren hinterließ: Eigentlich ein Geschenk des Himmels.
Doch in diesem Augenblick fachte das Gefühl der nackten Haut unter seiner Hand neuerlich seinen Zorn an, der schnell außer Kontrolle geraten konnte. Warum zum Teufel musste immer alles schieflaufen ?
Die Ruhe, die er binnen kurzer Zeit in seiner Werkstatt gefunden hatte, drohte zu verpuffen, doch er versuchte, an ihr festzuhalten. Also zwang er sich zu einem ruhigen Tonfall. »Roz, sprich langsamer. Was genau ist passiert ?«
»Ich … na ja, ich sage das nur ungern, aber anscheinend hat Nia das Armband geklaut.«
Seine Gelassenheit verpuffte förmlich. Was folgte, waren Wut und eine gehörige Portion Angst.
Verfickte Scheiße!
Diese Fotze wusste also von Katia.
Lena King mochte vielleicht blind sein, aber sie musste auch gar nicht sehen können, um das Gefühlschaos im Zimmer wahrzunehmen.
Mit einem angewinkelten Bein saß sie auf dem Sofa und versuchte, nachzuverfolgen, wohin Roz lief, aber die Frau bewegte sich einfach zu schnell für sie.
»Möchtest du mir erzählen, was dich so wütend macht?«, fragte sie ihre Freundin.
»Bitte? Oh, gar nichts. Ach übrigens, wo du ohnehin schon mal da bist, hätte ich nichts dagegen, wenn du irgendetwas Ungesundes mit viel Schokolade backen würdest«, gab Roz zurück, wobei ihre Stimme gedämpft und rau klang, wie bei Leuten, die nur mit Mühe ihre Selbstbeherrschung behielten.
»Glaub ich gern. Koffein brauchst du momentan jedenfalls nicht mehr, Süße.«
»Nein. Bloß Zucker.«
Ja, das sah Lena auch so. »Weißt du was? Du wirst wohl Recht haben. Schokolade ist jetzt genau das Richtige für dich.« Lena schwang die Beine vom Sofa und stand auf. »Komm, Puck, wir rühren etwas Ungesundes mit viel Kakaopulver zusammen.«
Roz lachte. »Süße, das ist doch nicht nötig.«
»Natürlich nicht.« Lächelnd tastete Lena nach Pucks Leine. »Aber ich möchte es gern. Auf geht’s, Puck!«
Sie musste Roz gegenüber ja nicht unbedingt erwähnen, wie froh sie darüber war, deren kleines Büro verlassen zu können. Was auch immer ihre Freundin so aufwühlte, machte Lena auch noch ganz verrückt. Roz war nur für einige Minuten verschwunden und hatte sich plötzlich total launisch und abweisend verhalten, als sie ins Büro zurückkam.
Um ihrer geistigen Gesundheit und ihrer Freundschaft willen war Kekse backen deshalb wohl das Beste, was Lena für Roz tun konnte, zumal diese anscheinend nicht mit ihr reden wollte.
Als sie die kleine Küche betrat, die Carter und Roz privat nutzten, klingelte ihr Handy. Da die Tagesschicht bereits mit den Vorbereitungen für das Mittagessen und das Dinner beschäftigt war und Lena ihnen nicht im Weg herumstehen wollte, vermied sie es, in der Restaurantküche des Inn zu backen.
»Hallo, schöner Mann. Ja, ich bin wirklich ganz artig«, flötete sie, als sie das Gespräch annahm.
»Hast du mit Carter gesprochen?«, fragte Ezra mit sachlichem Tonfall.
»Was? Nein …«
»Gut. Erwähne seinen Namen nicht, halte dich nirgendwo auf, wo er mit dir allein sein könnte. Puck ist bei dir, oder?«
Ein eiskalter Schauer jagte ihr den Rücken hinunter. »Ezra …«
»Stell mir jetzt bitte keine Fragen«, sagte er etwas sanfter. »Ich möchte nicht, dass dich irgendjemand über das Thema sprechen hört – weder Roz noch Carter, niemand . Vertrau mir, okay? Du musst dich jetzt einfach auf mich verlassen und tun, was ich dir sage … Keine Fragen. Bitte.«
»Okay«, flüsterte Lena und wurde von blankem Entsetzen gepackt.
»Ich bin auf dem Weg zu dir. Ich brauche nicht mehr lange«, verabschiedete er sich, dann wurde die Verbindung getrennt.
Sie schluckte schwer und ließ die Hand mit dem Telefon sinken, während Puck sich gegen ihr Bein lehnte und zu winseln begann. Lena legte ihm die Hand auf den Kopf.
Carter …
»Ich weiß ja nicht, ob ich wirklich hier heiraten möchte«, murmelte Hope, als sie aus dem Auto stieg und das Inn betrachtete. Schließlich seufzte sie. Andererseits wollte sie sich auch nicht selbst um den ganzen Kleinkram kümmern müssen.
Ja, es war noch genug Zeit. Remy und sie hatten es nicht besonders eilig, aber sie musste wenigstens für sich herausfinden, was sie haben wollte , richtig? Remy war es egal. Er stimmte allem zu, was sie glücklich machte. Doch Hope wusste nie genau, was das sein mochte.
Sie hängte sich die Handtasche über die Schulter und
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