Toedliche Offenbarung
ausgewandert sein, sagt Mallewitz, aber so genau wusste er das nicht. Auf jeden Fall wohnen die beiden seit Jahren nicht mehr mit ihm zusammen. Abgesehen davon, dass die Tochter auch schon über fünfzig sein muss.«
»Gibt es irgendwelche Besonderheiten?«
»Da hat Mallewitz nichts von gesagt. Der Mann ist Diabetiker. Aber das gilt wohl nicht als Besonderheit. Lassen Sie sich einfach überraschen. Lernen Sie sich kennen, beschnuppern Sie sich ein bisschen und vielleicht machen Sie ganz unauffällig ein Foto. Zum Schluss stellen Sie fest, dass Sie entweder diese Erinnerungen schreiben möchten oder eben nicht. Das liegt dann ganz an Ihnen. Es wird Ihnen aber zwischendurch vielleicht gelingen, das Thema auf dieses Schulungsheim und die »Aufrechten Deutschen« zu lenken. Würde mich interessieren, was er dazu denkt. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn er sich mittlerweile überlegt hätte, den Kauf rückgängig zu machen. Das würde unserer Gegend hier endlich wieder Ruhe bringen. Aber das wäre vielleicht zu viel des Guten.«
»Warum machen Sie es dann nicht selber?«
»Ich bitte Sie, ich glaube nicht, dass er mir diese Rolle abnimmt.«
»Also gut, ich werde es mir überlegen.« Martha ist immer noch nicht wohl bei der Sache.
»Da haben Sie aber nicht mehr lange Zeit. Mallewitz hat Sie für 12:00 Uhr in der Villa Golter angekündigt.«
»Villa Golter?«
»Genau, so heißt sein Anwesen am südlichen Rand von Celle. Ich schick Ihnen die Adresse per SMS. Nehmen Sie sich Trixi mit und plaudern Sie ein bisschen mit dem Herrn.«
»Aber …«, protestiert Martha. »Mir ist nicht wohl bei der ganzen Sache.«
»Sie haben doch Trixi dabei.«
»Aber …«
»Widersprechen Sie mir nicht immer.«
Martha sieht geradezu Mittenwalds verärgertes Gesicht am anderen Ende der Leitung.
»Wenn Sie meinen«, gibt Martha auf, obwohl ihr die Sache immer noch nicht behagt. Sie hält die ganze Idee Mittenwalds für ausgemachten Schwachsinn. »Wir klingeln also beim Mäzen der »Aufrechten Deutschen« und bieten uns an, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben – und ganz nebenbei versuchen wir, ihm etwas zu entlocken. Verstehe ich das richtig?« So was kann doch nur nach hinten losgehen. Das sagt ihr ihr inneres Gefühl ganz deutlich.
»Nun seien Sie doch nicht so negativ. Es kostete mich einige Überredungskünste, um Mallewitz zu überzeugen, dass er mir hilft.« Von den VIP-Karten für die nächsten 96 Spiele gar nicht zu reden. »Ich bin überzeugt, dass Sie so an ihn rankommen.« Mit der Exklusivgeschichte würde er denen in Hannover zeigen, was investigativer Journalismus bedeutet.
Mittenwald hat gut reden, rumort es in Martha und ein weiteres »Aber« liegt ihr auf der Zunge, doch sie schluckt es herunter.
»Und seien Sie bitte pünktlich. Der Mann liebt Zuverlässigkeit.«
»Dieser Golter …« Martha redet noch weiter, doch Mittenwald hat schon aufgelegt. Stattdessen piepst Marthas Handy. Eine SMS. Ob sie von Max ist?
14
Matusch springt in den Pick-up. Er hat keine Zeit zu verlieren, wenn er Karl noch erwischen will – und dann, nichts wie ab nach Schweden. Seine Klamotten sind schon gepackt. Der Seesack steht in der Ecke seines Zimmers. Noch einmal darf er die Sache nicht vergeigen. Das ist seine letzte Chance.
Matusch startet den Wagen. Wörstein ist stinksauer auf Karl – und er hat Recht. Völlig Recht. Karl hat Wörstein bitter enttäuscht. Matusch schaltet wütend in den zweiten Gang, und das Getriebe kreischt. Aber nicht nur Wörstein hat er enttäuscht. Ihn auch. Dritter Gang. Dabei lief am Anfang alles bestens. Karl hat in der Schießsportgruppe mitgemacht, war Feuer und Flamme, der Kameradschaft der ewigen Jäger beizutreten. Ihre Kameradschaft ist etwas ganz Besonderes. Aber sie funktioniert nur, wenn man sich bedingungslos auf den anderen verlassen kann und die Befehle ausführt. Nicht nur beim Verteilen von Parteizeitungen oder CDs vor Schulen. Vierter Gang. Wörstein zählt auf ihn, und er, Matusch, hat es jetzt in der Hand, die vertrackte Situation hinzubiegen. Es war sein Fehler mit Karl. Eindeutig, auch da hat Wörstein Recht. Er hätte ihn zu dem Treffen mit der Geldübergabe nicht mitnehmen sollen. Aber er, Matusch, würde das klären. Ein für alle Mal. Wörstein kann auf ihn zählen.
Matusch tritt aufs Gaspedal. Kiefern wechseln sich am Straßenrand mit dünnen Birkenstämmen ab, Entwässerungsgräben folgen, später Felder. Auf der B 3 beschleunigt er noch einmal. Ein
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