Toedliche Offenbarung
hier«, raunzt der Besucher jemandem zu, der außerhalb von Felix’ Sichtfeld steht.
»Das soll auch so sein, mein Lieber. Herzlich willkommen in unserem neuen Schulungszentrum.«
Die tiefe Stimme scheint aus dem Nichts zu kommen. Für einen kurzen Moment schiebt Felix seinen Kopf aus der Deckung. Ein großer, schlanker Mann mit spitzer Nase und Schnauzer im grauen Zweireiher. Das hätte er sich auch gleich denken können, geht es Felix durch den Kopf. Wörstein.
Felix reckt seinen Kopf noch ein wenig höher. Er sieht, wie der hoch gewachsene Anwalt seinem Gast auf die Schulter klopft.
»Prima Objekt. Niemand kann sich dem Haus nähern, ohne dass wir es bemerken.«
Felix grinst und drückt wieder auf den Auslöser der Kamera.
»Du wirst dich noch wundern, wenn die Bilder im Netz sind«, murmelt er. Jetzt fehlt nur noch das Foto von dem Dicken. Von hinten hat er ihn schon, von der Seite auch, fehlt nur von vorne. Felix wartet. Das Gesicht des Besuchers ist immer noch verdeckt. Nur Wörsteins spitze Nase und der Schnauzer sind gut zu erkennen. Jetzt! Felix atmet tief ein. Tatsächlich, der Dicke dreht sich um.
Felix drückt auf den Auslöser. Nichts. Scheiße. Der Chip seines Fotoapparates ist voll. Verdammt! Immer wenn es wichtig wird, fallen die Geräte aus. Zum Glück hat er einen zweiten Speicherchip dabei.
Felix hört Türen schlagen, während er fieberhaft an seinem Fotoapparat hantiert. Gerade ist der Apparat wieder betriebsbereit, als ein Zweig hinter ihm knackt. Felix kann aus dem Augenwinkel noch sehen, wie ein Baseballschläger auf ihn niedersaust, dann landet er mit dem Kopf im Schlehengebüsch.
20
Als Martha die Tür ihres Fachwerkhauses aufschließt, wartet der kleine schwarze Kater mit dem dreieckigen Fleck auf der Brust schon auf sie und maunzt fordernd. Sie streichelt ihm über den Nacken und streut Trockenfutter in die Schale.
»Na, du kleiner Herumtreiber, wo warst du denn?«
Das Tier beachtet sie nicht weiter, sondern steuert direkt auf den Fressnapf zu und stellt sich breitbeinig davor, damit niemand auf die Idee kommt, ihm das Futter streitig zu machen.
Kater sind manchmal wie Männer. Kommen und gehen wie sie wollen. Sofort denkt Martha an Max. Aber bevor der Gedanke an ihn sich richtig breit machen kann, schiebt sich das Bild von Paul vor ihr inneres Auge. Paul. Jetzt ist er schon über zwei Jahre tot. Ein tiefer Seufzer entweicht ihr. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Schon gar nicht sie.
Kaum im Haus, kontrolliert Martha ihr Handy und den Anrufbeantworter. Drei Anrufe in Abwesenheit auf dem Mobiltelefon, zwei auf dem Festnetzanschluss. Max Beckmann. Seit er in Hannover wohnt, ruft er ständig an, macht auf Sehnsucht und redet von Gefühlen. Immer das Gleiche. Noch vor zwei Monaten hätte er alles haben können, aber da hat es ihm nicht gereicht. Da hatte er Angst vor zu großer Nähe. Das hört sich immer gut an. Nähe! Und was war’s? Eines Abends stand diese Vanessa im Dorfkrug, umschlang ihn und begrüßte ihn mit einem Kuss auf den Mund. Einem langen Kuss.
Martha hat es in diesem Moment den Boden unter den Füßen weggezogen. Was hätte sie tun sollen? Lächeln und sich vorstellen? Gestatten: Mein Name ist Martha Landeck. Eigentlich habe ich Max letzte Woche gefragt, ob er mit mir zusammenziehen will. Aber das hat sich ja jetzt wohl erledigt.
Natürlich ist Martha gegangen, ohne etwas zu sagen, ohne Abschiedswort und ohne sich noch einmal umzudrehen. Noch nie hat jemand sie so tief in der Öffentlichkeit verletzt und gedemütigt. Wenn man Schluss machen will, geht das auch anders. Da sollte man auch auf die Gefühle der anderen Rücksicht nehmen.
Was redet sie da? Sie hat es gerade nötig, zu moralisieren. Paul würde noch leben, wenn sie nicht gemeint hätte, ihre neue Liebe ausleben zu müssen. Der Elefant im Glashaus der Gefühle ist sie. Da kann auch ihr erster Ex-Mann noch ein Lied von singen. Bis heute hat er nicht verstanden, dass sie ihn verlassen hat, weil die Beziehung sie gelangweilt hat. Verlassen werden. Genau das ist es. Vielleicht schmerzt sie die Trennung von Max deswegen. Zum ersten Mal hat ein Mann sie verlassen.
Martha streichelt die Katze, die sich an ihrer Wade reibt. Soll Max sich doch mit seiner Vanessa vergnügen. Er hätte sich nur nicht unbedingt eine Frau aussuchen müssen, die fast seine Tochter sein könnte.
Das Telefon klingelt erneut. Martha wirft einen Blick aufs Display: Schon wieder er . Sie zögert,
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