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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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Pepitastoff bezogen.« Yvonne lächelt. »Es hatte übrigens ein Celler Kennzeichen.«
    Beckmann erhebt sein Glas und prostet ihr stumm zu: Auf die Neugier der Frauen.
     

67
     
    Wilhelm Trott
    Guten Morgen, Fräulein Clara. Gut geschlafen?
    Haben Sie ein bisschen die Gegend erkundet? Im Frühling ist es hier sehr schön. Im April, besser noch im Mai. Aber der September jetzt, der hat seine besonderen Reize. Überall blüht die Heide, und Pilze gibt es reichlich. Waren Sie schon im Neustädter Holz? Da müssen sie unbedingt hin. Gleich hinter unserem Haus die Straße entlang, an den Kleingärten vorbei, dann rüber über die Fuhrberger Straße …
    Jetzt fangen Sie wieder mit dem 8. April an. Das ist nicht gut. Ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich nicht mehr darüber rede. Nie mehr. Sie mit Ihrer Neugierde!
    Also gut. Überredet. Sie ist ja gerade nicht da.
    Ich habe Ihnen doch von dem Gefangenen bei uns in der Küche erzählt. Der Mann nahm sich die Wurst vom Haken, bedankte sich mit »Vergelt’s Gott« und ging durch das Treppenhaus nach unten.
    Ich stand mit meiner Mutter am Küchenfenster und sah ihm nach. Er trat gerade aus dem Treppenhaus, als lautes Trillerpfeifen zu hören war. Von überall her hörte man plötzlich dieses Pfeifen und eine Gruppe von Polizisten verteilte sich vor den Hauseingängen in unserer Straße. Sie kontrollierten jede Tür, pfiffen und schrien: »Herauskommen!«
    Unser Besucher kam gehorsam mit erhobenen Händen heraus. Den erkannten die mit seinem eingefallenen Gesicht und dem kahlrasierten Schädel trotz Vaters Kleidung sofort als Gefangenen und legten die Gewehre an. Von Panik ergriffen, rannte er noch bis auf die gegenüberliegende Straßenseite, dann wurde er von hinten von einem Polizisten erschossen. Ein anderer in Sträflingskleidung wurde aus dem Nachbareingang getrieben. Er musste sich neben einen Laternenpfahl knien. Der Polizist machte einen Schritt auf ihn zu, bis er direkt hinter ihm stand. Der Uniformierte war riesengroß, fast zwei Meter und hatte so einen eierförmigen Schädel.
    Nein, ich weiß nicht, wie der heißt.
    Er zielte mit der Pistole auf den Kopf des Knienden. Der Sträfling rief in gebrochenem Deutsch: »Nicht schießen, Herr Kommissär, nicht schießen, Herr Kommissär.«
    Ich hörte das Krachen des Schusses und der Mann fiel zur Seite, ohne noch einen Laut von sich zu geben.
     
    Elfriede Trott
    Haben Sie mit dem Wilhelm ein Schwätzchen gehalten? Hat er Ihnen einen Kaffee angeboten? Ja, der gute Junge. Das ist für die Jugend nicht leicht in dieser Zeit.
    Zum Glück hat er die Lehrstelle als Buchhalter in Altencelle. Da gab es etliche Bewerber, manche waren sogar ein Gutteil älter als unser Wilhelm. Aber der Bollund hat sich sehr für ihn eingesetzt. Auch für den Herbert Müller. Dem hat er einen Ausbildungsplatz bei der Polizei besorgt. Ein wirklich netter Nachbar. Den kennt mein Mann seit Ewigkeiten.
    Stimmt, Bollund ist so ein Großer mit einem Eierkopf. Sie kennen ihn doch.
    Ja, der war Ende der zwanziger Jahre Polizist hier in der Gegend. Das war eine schwere Zeit. Erst dankte der Kaiser ab und dann kam die Weimarer Republik und die ganzen Sozis und Kommunisten. Davon hielt aber hier in Celle sowieso niemand etwas, außer so ein paar Versprengten dahinten am Rand der Siedlung. Wir sind hier mehr der Heimat verbunden und haben es nicht so mit der großen Politik. Jeder kümmert sich um seine Sachen und damit gut. Mit der großen Politik will hier niemand etwas zu tun haben. Jeder möchte sein Auskommen und seine Ruhe.
    Daran ist doch nichts Verkehrtes. Oder?
    Sie gucken so seltsam. Ist Ihnen nicht gut?
     
    Aaron Borgas
    Als der Junge fort war, habe ich eine ganze Weile in dem Busch gehockt und gewartet, dass die Luft rein ist. Der Mond war in der Zwischenzeit herausgekommen und sein Licht fiel direkt auf Dimitris Leiche. Sein Kopf war zertrümmert und bestand aus rotem Brei. Ich bin langsam aufgestanden und losgerannt, besser gesagt, losgehumpelt. Aber nicht ins Gehölz hinein, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Am ersten Haus lief ich vorbei. Das zweite stand auf der anderen Straßenseite, direkt davor ein dampfender Misthaufen. Ohne zu zögern, rannte ich darauf zu, betastete den Dung und fing an zu graben. Ich riss die obersten warmklebrigen Schichten an der Seite ab, wühlte mich tiefer hinein. Hand rein, Mist raus, Hand rein, Mist raus. Schließlich hing ich kopfüber in dem stinkenden Haufen und förderte die mit Stroh

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