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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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vermischten Kuhfladen nach oben. Ich quälte mich immer weiter in das Innere vor. Endlich war das Loch tief genug und ich schob vorsichtig meine Beine hinunter. Mit den Fingern tastete ich nach dem heruntergefallenen Mist, holte ihn hoch, rutschte langsam nach unten und polsterte am Einstieg alles aus, damit mich niemand bemerkt. Ich weiß nicht, wie lange das gedauert hat, aber als ich fertig war und durch ein kleines Guckloch nach draußen schauen konnte, war ich so müde, dass ich von einer Sekunde zur anderen eingeschlafen bin.
     
    Wilhelm Trott
    Sie passen jetzt wohl jede Gelegenheit ab, um mich ohne meine Mutter zu sprechen.
    Ist ja kein Vorwurf, nur eine Tatsache. Ja, ich habe noch mehr gesehen – und eigentlich finde ich es auch gut, mal mit jemandem darüber zu reden. Über allem liegt hier ein Teppich des Schweigens. Ein ganz dicker – und wehe, man zieht daran, dann fallen die über einen her. Die Willmer aus der Fuhrberger Straße hat vor Gericht ausgesagt und alle haben ihr nachher bescheinigt, dass sie sich nur an dem Polizisten Bollund rächen wollte. Später brauchte die gar nicht mehr in die Geschäfte gehen, die wurde überall geschnitten, genau wie ihr Sohn.
    Im April 1945 war ich vierzehn Jahre. Sie können sich vorstellen, wie neugierig ich war. Nach dem Bombenangriff tobte die Hölle um uns herum und ich sollte bei meiner Mutter im Wohnzimmer sitzen. Das hielt ich einfach nicht aus.
    Als sie anfing, sich Sorgen um ihre Schwester zu machen, bot ich ihr sofort an, dort hinzugehen. Die Tante wohnte an der Fuhrberger Straße. Ich musste nur durch die Gärten. Erst wollte sie mich ja nicht losgehen lassen, aber schließlich hat sie zugestimmt. Einzige Bedingung war, dass ich nicht alleine gehe. Vor der Tür wartete Emil Zander, der war ein Jahr jünger als ich und genauso neugierig.
    In den Kleingärten trafen wir einen Volkssturm-Mann, der meinte, wir sollten ihm helfen, Gefangene festzunehmen.
    »Die ziehen plündernd und mordend durch Celle. Das können wir nicht dulden. Also los, kommt mit mir. Ich gebe euch auch eine Pistole.«
    Der Emil nickte gleich bereitwillig und hielt die Hand hin, um die Waffe in Empfang zu nehmen. Ich murmelte, dass ich dringend zur Tante müsste. Auf eine Antwort wartete ich erst gar nicht und rannte los.
    Später sah ich 30 bis 40 Sträflinge in Höhe des eingezäunten Blumenaufzuchtgartens. Auf der gegenüberliegenden Seite hatten sich Männer mit Gewehren aufgebaut. Einige von denen trugen SS-Uniformen, andere Wehrmachtsuniformen mit den verschiedensten Rangzeichen, mit Lorbeergold eingefasste Armbinden gab es auch.
    Ja, Zivilisten standen auch dazwischen. Auf jeden Fall schossen alle ununterbrochen in die Menge rein, als wenn man eine Hasenjagd macht. Einzelne, ab und an ganze Trauben von diesen Gefangenen, lösten sich aus den Schutz bietenden Hecken und rasten wie vom Teufel getrieben im Zickzack über das Feld, auf dem im Herbst immer die bunten Astern blühen. Pausenlos fielen Schüsse. Immerzu brach einer zusammen und blieb auf dem Boden liegen. Manchmal zuckten sie noch.
     
    Elfriede Trott
    Haben Sie heute den schönen Herbsttag genossen? Es ist doch herrlich, durch die blühende Heidelandschaft zu gehen und die strahlende Sonne des Altweibersommers zu genießen. Lange wird es mit dieser Wärme nicht mehr dauern.
    Ich habe als junge Frau diese Spaziergänge gerne gemacht. Sonntags, wenn mein Mann, der Karl, frei hatte und nicht zu Trüller in die Fabrik musste, dann sind wir oft über den Hermann-Löns-Weg in die Heide gewandert.
    Geben Sie immer noch keine Ruhe mit dem 8. April? Mädchen, Mädchen.
    Ach, der Wilhelm hat Ihnen von unserem ungebetenen Gast erzählt. Das sollte der doch nicht. Also gut, da ist ja auch nichts dabei. Der arme Kerl. Er sah so dürre und mitgenommen aus, nicht ein Gramm Fett war an ihm. Da hat er von mir erst einmal zu essen bekommen. Kotelett und Bratkartoffeln. Viel hatten wir ja damals nicht und Koteletts waren etwas ganz Besonderes. Gefreut hat der sich über das leckere Fleisch, ganz ungläubig geguckt hat er und alles ganz schnell in sich hineingeschlungen. Man muss manchmal großzügig sein.
    Ich habe ihm Sachen von meinem Karl gegeben und er hat sich schnell umgezogen. Eine Wurst und ein paar Dosen hat er sich einfach noch, ohne zu fragen, unters Hemd gesteckt.
    »Vergelt’s Gott«, hat er mit einem harten Akzent gemurmelt. Kaum war er draußen, kamen Polizisten die Straße entlanggelaufen. Unser Mann blieb stehen und

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