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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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hob die Hände. Plötzlich fiel ein Schuss und er brach zusammen. Der Polizist beugte sich über ihn und öffnete seine Jacke. Und das war dann das richtig Gemeine: Der nahm einfach die Wurst und die Dosen an sich.
     
    Friedrich Bollund
    Ach, die Fräulein Rosenthal. Immer noch nicht genug von den alten Geschichten?
    Sie haben einen Drohbrief erhalten? Zeigen Sie mal.
    Dies ist ein gut gemeinter Rat:
    Verschwinde, Du jüdische Schnüfflerin.
    Hör auf, im Dreck zu wühlen,
    sonst kannst Du bald was fühlen.
    Keine Ahnung, wer das geschrieben hat. Ich habe es aber vorhin schon gesagt: Lassen Sie lieber das Stochern in vergangenen Zeiten. Das bringt nichts. Selbst die Engländer haben dieses Kapitel längst abgeschlossen.
    Kollege Leifert, guten Tag.
    Ich denke, das reicht erst einmal. Mein ehemaliger Kollege Leifert und ich wollen jetzt ein Bier trinken. Heute ist Veteranenabend.
     
    Martha legt die Blätter erschöpft zur Seite. Dieser Wilhelm Trott muss der Vater des Mannes sein, der am Freitag in ihrer Redaktion war. Ob er noch lebt? Sie fasst sich an die Nase, wie immer, wenn sie glaubt, dass sie eine gute Idee hat.
    Nein, das passt nicht. Wilhelm war nicht mit auf dem Flakstützpunkt. Er kann dort also gar nichts gesehen haben. Bollund hat er jedoch treffend beschrieben. Das muss auch Clara gemerkt haben. Dabei hat er behauptet, dass er ihn nicht kennt. Martha schnalzt mit der Zunge.
    Dieser Wilhelm hat Clara einen Tipp gegeben. Frei nach dem Motto: Merkt sie es?
    Martha schreibt auf einen Notizzettel: Trott anrufen. Fragen, ob der Vater noch lebt. Und Elfriede Trott? Was ist mit der?
    Kaum hat sie diesen Namen aufgeschrieben, streicht sie ihn wieder. Das muss die Großmutter sein, Claras Vermieterin – und die ist gerade gestorben. Martha reibt sich die Augen und gähnt. Immerhin hat die Frau das Tagebuch all die Jahre aufgehoben. Seltsam, dass jemand so ein Tagebuch einfach zurücklässt.
    Aber noch ein paar andere Dinge sind seltsam. Marthas Bleistift huscht über die leere Seite des Notizbuches.
     

II.
     
    Sonntag
     
    Der Oberobmann und Thedel drückten sich vorne in den Busch. An vier, fünf Stellen wurde geblasen, dann fiel ein Schuß. Die Weibsbilder schrien, und dann knallte es überall, und Wulf und Thedel sprangen von einem Machangel zum anderen, schossen, luden wieder, sprangen weiter und warteten, bis einer von der Bande herankam, zielten dann lange, und wenn es knallte, schlug er ein Rad. Wie die Hasen im Kessel wurden sie zusammengeschossen, ganz gleich ob sie Hosen oder Röcke anhatten.
    Der Wehrwolf, S. 142
     
     

1
     
    Die glutrote Morgensonne hat sich in eine hellgolden glänzende Kugel verwandelt, kaum dass sie mit ihrer oberen Rundung die Baumspitzen der Fichtenschonung hinter Marthas Fachwerkhaus erreicht. Grelle Strahlen bahnen sich den Weg durch den Spalt ihrer nicht fest zugezogenen Schlafzimmergardine und kitzeln sie an der Nase. Martha dreht sich auf die andere Seite, um weiter zu schlafen, doch der erste Gedanke hat sich bereits in ihren Kopf geschlichen. Clara. Heute Nacht hat sie von der neugierigen Frau geträumt. Nein, ganz stimmt das nicht. Es war noch viel mehr. Sie ist im Traum in die Rolle dieser Clara geschlüpft und durch Celle gelaufen. Um sie herum lagen Häuser in Trümmern, Bomben explodierten, überall war Rauch und Qualm. Ab und zu hörte sie Schüsse auf der Straße. Gefangene in gestreifter Sträflingskleidung rannten im Zickzack Richtung Wald, verfolgt von schießwütigen Bürgern. Clara stellte die Menschen zur Rede, wollte wissen, wer bei dieser Menschenjagd dabei gewesen ist, aber niemand antwortete ihr.
    »Ich muss wissen, wer es war«, immer wieder sagte sie diesen Satz, ging von einem zum anderen und fragte, ohne Antworten zu bekommen. Plötzlich drückte ihr ein gesichtsloser Gefangener einen Schuh in die Hand.
    »Wenn du den findest, dem der Schuh passt, dann hast du deinen Mörder.«
    Wie der Prinz, der Aschenputtel sucht, stand sie auf der violetten Heidefläche und starrte den Schuh an. Doch sie suchte nicht die liebliche Tänzerin – und in ihrer Hand lag kein zierlicher Damenschuh, sondern ein breiter lederner Wanderschuh von mindestens Größe 43. Jedem Mann, dem sie begegnete, hielt sie den Schuh hin. Dem ersten, der den Schuh anzog, war er zu klein. Die Tauben in der Birke über ihr gurrten.
    »Rucke di guh, rucke di guh, kein Blut ist im Schuh.«
    Dem Nächsten war er zu groß. Wieder gurrten die Tauben. »Rucke di guh, rucke di guh, kein

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