Toedliche Offenbarung
nichts gefunden. Gleich kümmere ich mich um Müller, aber das kann dauern. Ist ja nicht gerade ein seltener Name.«
»Stimmt.« Beckmann malt einen Pfeil von Müller zu Broderich. »Sieht fast so aus, als wenn sich Wörstein geschickt aus allem rausgehalten hat. Der Brief von Broderich an ihn reicht nicht. Es ist ja nicht einmal gesagt, dass er ihn abgeschickt hat.«
Beckmann schaut in die Runde. »Mir behagt eins nicht: Angenommen, dieser Müller ist tatsächlich der Müller aus dem Tagebuch. Dann ist er doch mit seinen über achtzig Jahren ein alter Mann. Besitzt der wirklich noch den Mumm, einen kräftigen Kerl in den besten Jahren zu erwürgen und anschließend hinter das Caddyhaus zu tragen?«
»Sag ich doch!«, ruft Borgfeld dazwischen. »Das ist doch schon ein Greis – und nicht zu vergessen: der Golfball. Woher sollte er den denn haben?«
Alle sehen sich an, keiner weiß eine plausible Antwort. Schließlich ergreift Streuwald das Wort.
»Die Bälle lagen in Goldmanns Büro. Broderich hatte drei Interviewtermine in diesem Raum, er könnte ihn sich bei einem der Besuche eingesteckt haben, quasi als Souvenir.«
Die letzten Worte bleiben in der stickigen Luft des Büros hängen. Beckmann steht auf und geht zum Fenster.
»Vermutungen helfen uns in dieser Frage nicht weiter. Was sind die Fakten? Ein Mann namens Müller wird von Broderich mit den Aufzeichnungen erpresst.« Beckmann öffnet das Fenster weit und dreht sich zu den anderen um.
»Was macht man in so einem Fall?« Er klopft mit den Fingerspitzen gegen die Glasscheibe. »Man fordert Beweise und das Original.«
»Und alle Kopien«, ergänzt Streuwald. »Vielleicht lässt sich das Chaos in Trotts Wohnung mit der Suche danach erklären.«
Streuwald hat Recht, doch der Gedanke gefällt Beckmann gar nicht. Wenn diese Überlegung stimmt, ist jeder in Gefahr, der das Manuskript kennt oder eine Kopie hat. Und genau das ist das ungute Gefühl, das in ihm aufgekeimt ist, seit Martha vor Trotts Haus auf ihre Tasche gezeigt hat. Hoffentlich findet Rischmüller diesen Herbert Müller schnell.
37
Der Oberarzt des Celler Krankenhauses, Doktor Schnippkoweit, ist müde nach der langen Nachtschicht. Ein Motorradunfall hatte ihn und die Kollegen die halbe Nacht im Operationssaal festgehalten. Gerade mal eine halbe Stunde Pause hatte er gehabt, bevor dann der nächste Notfall hereinkam. Jetzt wünscht er sich nur noch eins: Ein ausgiebiges Frühstück und dann eine Runde mit seinem Hund an der Aller.
Aber daraus wird nichts. Es ist Zeit für die morgendliche Visite. Trotz seiner Müdigkeit begrüßt Schnippkoweit Felix mit einem zackigen: »Guten Morgen, wie geht’s denn unserem Patienten?«
»Bestens!«
»Wunderbar, das wird schon.« Der Arzt wirft einen Blick auf das Patientenblatt und nickt zufrieden. »Sehr schön.«
»Wenn das so ist …«, Felix sieht seine Gelegenheit gekommen, »möchte ich jetzt endlich nach Hause.« Er hat sich aufgesetzt. Vorsichtig bewegt er die Beine und lässt sie aus dem Bett baumeln. Der stechende Schmerz an der Schläfe ist wieder da, aber er ignoriert ihn. Mit den nackten Zehen angelt Felix nach seinen Schuhen.
»Junger Mann, ich würde Sie gerne noch mindestens eine Nacht hier behalten. Damit wir ganz sicher sind, dass Sie die Sache überstanden haben. Mit Gehirnerschütterungen ist nicht zu spaßen.«
»Es geht mir gut«, murrt Felix. »Wirklich.«
»Dann stehen Sie auf.« Schnippkoweit streicht seine grauen Haare nach hinten. Die Skepsis spricht aus jedem Winkel seines Gesichts, »und kommen Sie zu mir.«
Felix stellt die Füße auf den Boden und stützt sich mit den Händen auf der Bettkante ab. Er kommt in den Stand, macht einen Schritt vorwärts. Sofort wird ihm schwindelig und er setzt sich wieder.
»In Ordnung, ich bleibe«, gibt er klein bei.
38
»Liebe Leute. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.« Borgfeld gähnt und streckt sich.
»Ich finde, wir machen für heute Schluss. Die Rechtsmedizin ist erst morgen so weit. Schmidt hat vorhin angerufen und etwas von wichtigen Terminen am Nachmittag gesagt, außerdem sei seine Abteilung im Moment völlig überlastet.«
»Wenn das so ist«, kommt es gedehnt von Beckmann, »packen wir zusammen.«
Als Beckmann mit Rischmüller das Polizeigebäude verlässt, schlägt der ihm auf die Schulter.
»Wie sieht es mit einem Abstecher zum Maschseefest aus?«
»Schau’n wir mal. Wir sind ja sowieso mit zwei Autos hier.«
»Treffpunkt
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