Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
sitzen, oder auf Mutters Schoß«, erwiderte Marjorie. »Und Anne ist nicht allzu groß.«
»Es ist allerdings nicht nur das, fürchte ich. Wir dürfen nicht zu viel Gewicht einladen, damit das alte Gefährt noch vorankommt.«
»Oh, verstehe. Dann werde ich ganz besonders umsichtig sein. Wir werden nur ganz wenig mitnehmen.«
Marjorie begann in Gedanken bereits emsig das Problem zu bearbeiten, wie man das Gewicht reduzieren könnte. Es gab so einiges, worauf sie verzichten konnte, beschloss sie.
»Ich nehme an«, begann Ely, jetzt wieder schüchtern, »Sie hätten wohl keine Lust, heute Abend eine kleine Fahrt darin zu machen?«
»Oh!«, rief Marjorie, und dann fügte sie mit ehrlicher Enttäuschung hinzu: »Es tut mir leid, ich kann nicht. Ted ist heute Abend ausgegangen und wird erst spät zurück sein. Ich kann die Kinder nicht alleine lassen.«
Ely war ebenfalls enttäuscht, und man sah es ihm an. Dies war sein erster Tag als Autobesitzer, und er sehnte sich danach, den ganzen Abend lang herumzufahren. Für einenzur Unterordnung verdammten Mann war es ein herrliches Gefühl der Macht, den Fuß abzusenken und zu spüren, wie das Auto gehorsam voransauste; exakt um Straßenecken herumzukurven; Busse und Straßenbahnen hinter sich zu lassen, in denen man schon so oft öde vor sich hin zockelte, abhängig von Fahrer und Schaffner, und abhängig sogar von den Leuten auf den Gehwegen, die einen mit einem einzigen Heben der Hand anhalten konnten. Aber zugleich schreckte er davor zurück, allein durch den Verkehr der Vorstadtstraßen zu fahren. Er wollte jemanden neben sich haben, der ihn auf Autos an der Beifahrerseite aufmerksam machte und für ihn nach hinten sah, wenn er rechts abbiegen musste. Die jungen Frauen aus dem Tennisclub waren ihm alle weit überlegen. Sie würden vielleicht sogar lachen darüber, wie er von einem Gang in den anderen schaltete. Ely war überzeugt, dass sie alle bereits von Kindheit an mit Autos vertraut waren.
Mrs Grainger hielt Ely nicht für überlegen. Er machte sich weiter keine Gedanken darüber, ob sie mit Autos vertraut war oder nicht. Er bewunderte Mrs Grainger und ihre dunkle Schönheit; und in ihrer Gegenwart fühlte er sich wohler als in der irgendeiner anderen jungen Frau; ohne sich je die Mühe zu machen, es zu analysieren, empfand er in ihrer Gegenwart stets ein Gefühl des Wohlwollens, ja der Gemeinschaft, das ihm immer fehlte, wenn er mit anderen Frauen beisammen war. Das war auch der Hauptgrund, warum er sogleich auf Mrs Clairs Urlaubsvorschlag eingegangen war. Sein Aufenthalt an der Küste würde ihn nicht mehr kosten als seine Untermiete – und das war wichtig, jetzt, da er all seine Ersparnisse in das Auto gesteckt hatte –, aber am wichtigsten war, dass er zusammen mit Freunden an der Küste sein würde. Ely hatte schon einsame Urlaube an der Küste verbracht und war die ganze Zeit über unglücklich gewesen.Die aufdringlich lachenden jungen Frauen auf den Promenaden und Piers hatten so gar nichts Anziehendes für ihn.
Marjorie war überrascht, dass Elys Enttäuschung der ihren entsprach. Sie war ganz entzückt und auch ein wenig gerührt darüber.
»Mutter würde sicher kommen und das Haus hüten, denke ich, wenn wir sie darum bitten«, sagte sie nach raschem Nachdenken. »Heute ist doch nicht der Abend, an dem sie in die Kirche geht, oder?«
»Nein. Sie war zu Hause, als ich ging. Soll ich hinfahren und sie holen?«
»Ja, tun Sie das.«
Es war wundervoll, dass man mit einem Auto Mutter nicht nur eine Nachricht senden, sondern sie auch gleich mitbringen konnte, alles in weniger als zehn Minuten. Zu Fuß hätte es, Marjories Erfahrung nach, mindestens eine Dreiviertelstunde gedauert, auch wenn Mutter immer noch ziemlich schnell laufen konnte. Ein Auto bedeutete Freiheit in vielerlei Hinsicht.
Mutter schien sehr gern vorbeizukommen. Sie strahlte Marjorie und Mr Ely an und winkte ihnen nach, als sie mit krachendem Getriebe die Straße hinunter entschwanden. Mrs Clair ging von der Pforte wieder hinein und setzte sich in das schäbige Wohnzimmer – mit geöffneter Tür, damit sie die Kinder hören konnte, falls sie weinen sollten –, immer noch lächelnd, doch jetzt war es ein Lächeln ohne jeden Anflug von Freundlichkeit darin. Es war ein hartes, schmallippiges Lächeln, und obwohl in ihren Augen ein versonnener Blick lag, hatten auch sie nichts Weiches. Mrs Clair saß aufrecht da, die Hände im Schoß, und starrte vor sich hin. Sie sah Traumbilder, in
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