Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
und stets versuchte, sich in Gedanken bei ihrem Mädchennamen zu nennen. Es war Mrs Poskets Ehrgeiz, den in Worte zu fassen ihr aber nie gelungen war, nicht mal sich selbst gegenüber, und der ihr im Grunde gar nicht bewusst war, dass sie jeden Tag etwas von lebenswichtiger oderdramatischer Wichtigkeit sehen oder hören musste. Und dies war auch der Grund dafür, dass Mrs Posket den Milchmann und den Lieferanten des Bäckers immer in Gespräche verwickelte und aus ihrem Schlafzimmerfenster spähte und sich merkte, was ihre Nachbarn kauften, wenn sie ihnen in den Geschäften begegnete.
Derrick kam aus entgegengesetzter Richtung die Straße entlanggerannt, seiner Mutter weit voraus, und blieb beim Anblick der beiden Frauen abrupt an der Pforte stehen.
»Guten Tag, Derrick«, sagte Mrs Posket. Derrick lächelte sie schüchtern an, ehe er sich abwandte und an dem Riegel der Pforte rüttelte.
Im einen Augenblick noch schüchtern und im nächsten schon keck, drehte er sich auf kindliche Art wieder zu ihr herum.
»Die alte Pforte geht nicht auf«, piepste er. »Blöde alte Pforte.«
»Soll ich es machen?«, fragte Mrs Posket hilfsbereit und ging auf ihn zu. »Da! Was sagst du jetzt?«
»Danke schön«, sagte Derrick.
»So ein braver Junge. Und wirst du dieses Jahr auch schön in den Urlaub fahren, Derrick?«
»Wir fahren zum Strand«, erzählte Derrick atemlos.
»An welchen Strand denn?«
»Beim Guardhouse natürlich«, sagte Derrick. Der einzige Strand, den er kannte, war der in der Nähe des Guardhouse. Und er war gnädig genug, es dieser dummen Erwachsenen noch weiter zu erklären. »Und wir fahren im Auto, in Mr Reelys Auto, und Daddy bleibt zu Hause!«
»Oh!«, rief Mrs Posket. Was für eine wunderbare kleine Information, die sie da im Voraus erfuhr. Das zeigte nur wieder einmal, dass man nie wissen konnte, wie Mrs Posket essich selbst gegenüber ausdrückte – mit anderen Worten, kein Stein war zu unbedeutend, als dass man ihn auf der Suche nach Informationen nicht umwenden sollte. Sie hätte Derrick noch weitere Fragen gestellt, wenn Marjorie nicht die Straße entlanggeeilt gekommen wäre. Marjorie war ein wenig außer Atem, denn sie war so schnell gegangen wie möglich, sobald sie erkannt hatte, wer da mit Derrick sprach – so schnell wie möglich und zugleich verzweifelt darum bemüht, sich den Anschein zu geben, als beeile sie sich gar nicht. Und Marjorie war nicht nur außer Atem, sondern auch etwas blass, denn eine schreckliche Furcht hatte sie beschlichen, als sie Mrs Posket mit Derrick sprechen sah. Bei einem so kleinen Jungen konnte man nie wissen, welche Fantastereien oder unlogischen Dinge er herausposaunen würde. Vielleicht würde er – und diese Möglichkeit bestand zweifellos, wie gering auch immer sie sein mochte – Mrs Posket sogar etwas darüber erzählen, was er an jenem Abend gesehen hatte, etwas über Tante Dottie und Daddy.
Marjorie schnappte sich Derricks Hand und hielt ihn an ihrer Seite, ein wenig hinter sich und halb verborgen von ihrem Kleid, als sie Guten Tag sagte zu Mrs Taylor und Mrs Posket.
»Derrick hat uns gerade erzählt, was für einen schönen Urlaub Sie machen werden, Mrs Grainger«, sagte Mrs Posket lächelnd.
Marjories Befürchtungen schwanden; um die Wahrheit zu sagen, sie war fast genauso aufgeregt wie Derrick über diesen bevorstehenden Urlaub.
»Ja«, erwiderte sie begeistert, doch dann zwang sie sich, ruhig zu sprechen, damit ihre Zuhörerinnen nicht annahmen, es könnte ein Zusammenhang zwischen ihrer Begeisterung und dem bestehen, was sie als Nächstes sagen würde – dennes war besser, Letzteres mutig selbst zu verkünden, als darauf zu warten, dass es irgendwie herauskam, was unvermeidlich war. »Mein armer Ehemann kann nun doch nicht von seinem Büro weg und muss zu Hause bleiben. Ist das nicht ein Pech für ihn?«
»Das hat Derrick auch schon erzählt«, sagte Mrs Taylor, ziemlich zu Mrs Poskets Verdruss – eine Informationsquelle, die man preisgibt, ist in Zukunft nur noch halb so viel wert.
»So ein kleines Plappermaul.« Marjorie lächelte.
»Wer wird sich denn um Mr Grainger kümmern?«, fragte Mrs Posket.
»Oh, er will sich um sich selbst kümmern. Er sagt, das kann er.«
»Du meine Güte!«, rief Mrs Taylor. »Da werden Sie sicher einen Frühjahrsputz machen müssen, wenn Sie wieder zurück sind. Sie wissen ja selbst, wie die Männer so sind, allein zu Hause.«
»Da haben Sie wohl recht.« Marjorie lächelte immer noch.
Das heimliche
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