Tödliche Option
die Tür und bekam einen erfrischenden
Schwall kalter Luft aus dem Vorzimmer ab.
Peter Diamantidou war der Hausverwalter. Er
kümmerte sich um all die Sandsteinvillen und Reihenhäuser in ihrem
Straßenabschnitt. Es war eine zeitaufwendige Stelle, jedoch nicht so schwierig
wie die eines Verwalters in einem Wolkenkratzer mit Miet- oder
Eigentumswohnungen, wo man mit hundert oder mehr Familien zu tun hatte. Er war
ein kleiner, dunkler Mann von etwa fünfzig Jahren, der mit halb griechischem,
halb amerikanischem Akzent sprach.
»Mannomann«, meinte er, während er das
Durcheinander begutachtete, mit den Händen fuchtelnd, die grauen Arbeitshosen
ausgebeult an den Hüften hängend. Durch das Hohlkreuz hatte er einen
vorstehenden Bauch, war jedoch nicht dick. »Schöne Arbeit habe ich da.« Er
verströmte den ranzigen Geruch vieler Schichten angetrockneten Schweißes. »Weiß
nicht, was Mr. H. dazu sagen wird.« Er hatte seine Perlenschnur in der Hand und
ließ sie durch die Finger gleiten.
»Ich glaube, wir sind versichert, also haften
wir dafür,« erklärte Wetzon. Sie hoffte, daß sie recht hatte, und versuchte,
nicht durch die Nase zu atmen. Die stehende Luft im Zimmer nahm rasch seinen
starken Geruch an.
»Okay, okay, keine Sorge, Miss. Ich schicke
einen Glaser vorbei.« Er untersuchte die Tür, indem er sie hin und her bewegte.
»Nicht beschädigt, braucht nur frische Farbe und vielleicht neue Angeln. Ich
sehe den Riegel nach.« Er starrte die Sprengstoffexperten an, die gerade mit
ihrer Arbeit fertig wurden, und wich von der Öffnung zurück, als sie die Tür
zum Garten mit gelben Band absperrten.
Nachdem die Techniker abmarschiert waren, sagte
Wetzon: »Ich überlasse das alles Ihren fähigen Händen, Mr. Diamantidou. Nur
müssen wir morgen hier bei funktionierender Klimaanlage arbeiten können.«
»Okay, okay, Miss. Ich tu’ mein Bestes.« Seine
schwieligen Hände waren mit dunklen Flecken von seiner Arbeit gezeichnet. Er
würde nicht einmal Tintenflecke bemerken, wenn man ihm die Fingerabdrücke
abnähme...
Verdammt. Ihre Gedanken schweiften ab. Konzentriere
dich, befahl sie sich. Sie mußte nur noch einen Anruf erledigen, dann würde
sie zu einem schnellen späten Mittagessen zum Il Nido Cafe gehen. Sie
verspürte plötzlich eine Heißhunger auf gefüllte Artischocken und einen eisigen
Espresso. Doch vorher wollte sie Chris anrufen und eine anderen Treffpunkt
vorschlagen.
»Er spricht am anderen Apparat, Wetzon, möchten
Sie dranbleiben?« fragte Chris’ Assistentin Ruth.
»Sagen Sie ihm, daß wir Handwerker im Büro haben
und es besser ist, wenn ich ihn im Restaurant treffe.«
Glitzernde Glasstückchen blinzelten sie von
verschiedenen Stellen auf ihrem Schreibtisch an.
»Gut, warten Sie. Ich sehe nach, ob ich ihn kurz
stören kann.«
»Wie benimmt sich der Markt, B. B.P« rief sie.
Ihre Telefone waren gespenstisch still geworden.
B. B. öffnete die Tür. Er hatte sich endlich das
Gesicht gewaschen, sein Anzug dagegen sah übel aus. »Der Kurs erholt sich. Die
Kaufprogramme schalteten sich ein, nachdem er um hundertsechzig Punkte gefallen
war, und jetzt ist er nur noch neunundzwanzig im Minus.«
Wetzon schüttelte den Kopf. Das war nun bereits
der zweite jähe Sturz in zwei Monaten, jedesmal dadurch ausgelöst, daß etwas
mit Junk Bonds oder kurzfristigen Handelspapieren nicht stimmte, eine Firma zu
stark verschuldet war oder man sich sorgte wegen des starken Dollars, des
schwachen Dollars, der Inflation, der Rezession oder der Handelsbilanz. Und
jedesmal, wenn es einen Sturz gab, bekamen die Makler Deckungsaufforderungen
bis zum Gehtnichtmehr. Was erklärte, warum die Telefone bei Smith
& Wetzon nicht mehr läuteten. Hallo, Mr. Gehtnichtmehr. Sie haben
eine Deckungsaufforderung. Sie müssen entiueder einige Aktien abstoßen oder mir
schnellstens einen Scheck über eine Million zur Deckung schicken.
»Wetzon?«
»Ja, Ruth?« Die Hitze drang langsam in ihr Hirn.
Sie warf einen strengen Blick auf den Andy Warhol; er hing verwegen schief. Sie
stand auf, um ihn geradezurücken.
»Chris schlägt vor, ihn um sechs im Bloomsbury
Court zu treffen. Das ist Ecke Madison und 29.«
»Bloomsbury Court? Das Restaurant kenne ich gar
nicht. Ist es neu?« Als Ruth nicht antwortete, dachte Wetzon, sie seien
unterbrochen worden. »Ruth?«
»Es ist kein Restaurant, Wetzon. Das ist seine
Wohnung.«
Beißender Dunst hing über der Stadt wie
die Reste eines qualmenden Reisigfeuers. Die Schnittwunde im Knie
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