Tödliche Option
überrascht sein? Sie
hatte die ganze Zeit gewußt, daß der Mörder kein Außenstehender war. Sie
wischte den Schmutz von ihrem Kalender. Sharon Murphy sollte sich nach
Börsenschluß mit Carl Fisher bei Dayne Becker treffen. Sie mußte den Termin
noch bestätigen. Die Show ging weiter.
Als Sharon an den Apparat kam, hörte Wetzon
ihrer Stimme das Widerstreben an. »Ich weiß nicht, Wetzon«, wich sie aus. »Ich
glaube nicht, daß ich zu denen gehen möchte.«
»Dann haben Sie sich für Luwisher Brothers
entschieden?« fragte Wetzon enttäuscht.
»Nein. Chris Gorham drängt mich immer noch, aber
nach dieser Ankündigung heute morgen kommt eine Firma, die mein Einkommen
begrenzt, nicht in Frage.«
»Gute Überlegung, Sharon.«
»Ich denke also, daß ich besser vorerst
hierbleibe. Sehen Sie sich die Kurse heute an. Schon ein Verlust von
hundertachtundvierzig Punkten. Außerdem versprach Wally, mir einige Konten von
Leuten zu geben, die gegangen sind.«
»Gut, Sharon, ich werde Sie nicht drängen. Sie
sollen nur wissen, daß Marty Rosen Sie haben möchte und alles Notwendige tun
würde, um Sie in seine Firma zu holen.«
»Außer mir dreißig Prozent im voraus zu geben.«
»Er kann nicht. Das ist Firmenpolitik. Auf Ihrem
Niveau kann er nur fünfundzwanzig Prozent geben. Ihre laufenden zwölf Monate
müßten auf fünfhunderttausend kommen, damit ihm dreißig Prozent bewilligt
würden.«
»Rufen Sie mich in drei Monaten an, Wetzon. Ich
fühle mich einfach zu sehr unter Druck, um mich jetzt zu entscheiden.«
Sie ist zu sehr unter Druck, dachte
Wetzon, als sie die Verbindung unterbrach und Carl Fisher bei Dayne Becker
anrief, um Sharons Termin abzusagen. »Sie hat eine Besprechung mit einem
wichtigen Kunden«, log sie und versprach ihm, einen neuen Termin zu
vereinbaren. Er hörte sich deprimiert an; während die Wall Street schrumpfte
und Firmen fusionierten, wurde es für die Manager immer schwieriger, Makler einzustellen.
Und bei diesem neuerlichen Kurseinbruch nun würden die Makler mißtrauischer
denn je reagieren.
Als sie Marty Rosen bei Loeb Dawkins ans Telefon
bekam, teilte er ihr mit: »Wir aßen gestern mit Sharon zu Abend.«
»Wir?«
»Ja. Bob Kankowitz, der Leiter unserer
Direktinvestitionen, und ich. Ich glaube, wir haben sie.«
»Ich habe gerade mit ihr gesprochen, Marty, und
ich denke, Sie werden sie bekommen, aber sie sagte, sie möchte es noch ein paar
Monate zurückstellen. Sie hat ein paar fette Konten an Land gezogen und möchte
die Beziehungen festigen, bevor sie denen verrät, daß sie die Firma wechselt,
besonders bei diesem Klima.«
»Hören Sie, Wetzon.« Marty klang sehr
enttäuscht. »Wir alle wissen, daß man sie entweder gleich bekommt oder
vermutlich gar nicht. Dann gehen sie irgendwohin, aber nicht zu dir. Der
Schwung ist dann weg.«
»Ich weiß, aber ich verspreche Ihnen, daß ich an
ihr dranbleibe. Ich weiß genau, daß sie sich gegen Luwish-er Brothers
entschieden hat.«
Marty gluckste. »Kein Makler, der etwas taugt,
wäre so verrückt, zu denen zu gehen. Ich hörte, daß sie sich heute blaue
Flecken bei United Can geholt haben. Was halten Sie davon, ein paar von den
Guten für mich dort wegzuholen, Wetzon?«
Wetzon seufzte. »Das geht nicht, Marty. Es ist
eine Kundenfirma.«
Martys letzte Bemerkung war zynisch. »Man kann
nicht für jeden arbeiten, Wetzon.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Wetzon, nachdem sie
aufgelegt hatte.
Bei den vielen Fusionen wurde Wall Street allmählich
so klein, daß sie und Smith am Ende Makler aus einer der drei großen Firmen
herausholen und in einer der beiden anderen unterbringen würden. Mehr wäre dann
nicht mehr übrig. Sie hätte gern gewußt, ob es stimmte, was Marty über Luwisher
Brothers gesagt hatte, nämlich daß sie einen größeren Verlust bei United Can
eingesteckt hatten. Ihre Händler waren für raffinierte Arbitragegeschäfte
bekannt, aber lohnte sich das Risiko? Sie deckten sich mit einer Aktie ein, von
der sie vermuteten, es sei ein Aufkaufkandidat. Wenn der Aufkauf eintraf und
die Aktie nach oben schnellte, machten sie vielleicht eine Million gut, aber
wenn der Aufkauf scheiterte, konnte der Verlust verheerend sein. Man mußte
Millionen riskieren, um Millionen zu verdienen.
Im Zimmer war es zum Ersticken. Die Klimaanlage
stöhnte, brauste und ratterte weiter. Wetzon stand auf und schaltete sie aus.
Sie brachte ohnehin nichts und war schon überlastet.
»Mr. Diamantidou ist hier«, verkündete B. B.
Wetzon öffnete
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