Tödliche Option
Warren es ihm verraten?
»Warren Buffet«, sagte Chris.
»Warren Buffet?« Sie war verwirrt. War ihr etwas
entgangen? Warren Buffet war das erstklassige Unternehmer- und Finanzgenie,
dessen Firma, Burlington Hathaway, Beteiligungen an vielen Firmen hatte. Buffet
selbst hatte einen Teil der Investmentbank Salomon Brothers gekauft, weil Solly
finanzielle Probleme bekommen hatte und von dem Aufkaufkünstler Ron Perelman
von Revlon angegangen wurde. Es hieß, Buffet sei aufgefordert worden, um
Perelman zuvorzukommen, und es hatte funktioniert. Wovon redete Chris?
»Warren wurde nach Warren Buffet genannt.«
»Ach so.« Sie lächelte ihn an. »Na ja, warum
nicht. Vielleicht hat er ein gutes Gespür für Aktien.«
»Ja, er wendet die Blindekuh-Methode an. Nun
kommen Sie, setzen Sie sich. Ich möchte mein Bier zu Ende trinken, bevor wir
aufbrechen. Erzählen Sie dem guten Onkel Chris, warum Sie so nervös sind.« Er
bedachte sie mit einem jungenhaften breiten Grinsen.
Sie trank einen Schluck Sodawasser. Es hatte
einen scharfen Beigeschmack. »Haben Sie da was hineingetan?« Sie stellte es auf
den Couchtisch.
»Nur Limone.« Chris stand auf und ging in die
Küche. Wieder ging die Kühlschranktür auf und zu. Er kam mit einem neuen Bier
zurück.
Sie ging zur Fensterwand hinüber und schaute
hinaus. Überall in der Stadt gingen die Lichter an. Die Aussichtsspitze auf dem
Met Life Building leuchtete grün in dem gelben Sonnenuntergang.
Die Musik hörte auf. Chris stand auf und
wechselte die CD. Neil Diamond. »So, Sie möchten mir erzählen, weswegen Sie
verstimmt sind.«
»Ich bin nicht verstimmt. Ich käme nur gern zu
einem Abendessen.«
»Sie sind ein offenes Buch für mich. Wie lange
kennen wir uns schon?«
Sie zögerte, immer noch am Fenster, dachte
daran, wie sehr es sie ärgerte, wenn jemand das zu ihr sagte — sie sei für ihn
ein offenes Buch. Es war so selbstgefällig und herablassend und, in diesem
Fall, gegen sie als Frau gerichtet. Sie wandte sich wieder dem Panorama der New
Yorker Dächer zu. »Jemand schickte uns eine Briefbombe.« Indem sie dem Fenster
den Rücken kehrte, fuhr sie fort: »Sie explodierte in unserem Garten. Verletzt
wurde niemand.«
Chris schien überrascht. »Warum könnte das denn
jemand tun?«
»Weil jemand glaubt, wir wüßten, wer der Mörder
ist. Haben Sie das nicht gehört? Wurde Sie nicht von Destry und Hoffritz
informiert?«
»Nein, aber ich habe den ganzen Tag im
Börsensaal Feuer gelöscht.« Er hielt inne und betrachtete sie, sein Gesicht
eine hübsche Maske. »Wissen Sie es?«
Konnte er am Ende der eine sein? überlegte sie plötzlich. War sie dumm? Wo war
ihr Schutz? »Erpreßte Dr. Ash Ellie?«
Etwas blitzte ganz kurz in seinen Augen und
verschwand. »Weiß ich nicht. Warum?«
»Erpreßte er Sie?«
»Mich? Um Gottes willen, nein.«
Er hatte zu schnell geantwortet. »Trafen Sie und
Ellie sich mit ihm letzten Samstagmorgen, als ich Ihnen am Aufzug begegnete?«
»Wetzon, Sie haben Phantasie, wissen Sie das?«
bemerkte Chris. Er trat neben sie ans Fenster.
»Chris, seien Sie ehrlich. Falls er Sie erpreßt
hat, geben Sie es zu, weil Sie der nächste sein könnten.«
»Der nächste wobei? Werden Sie nicht
melodramatisch.«
»Der nächste, der ermordet wird. Wenn Sie etwas
wissen, behalten Sie es nicht für sich. Wollten Sie darüber mit mir sprechen?«
Er lachte los, indem er sämtliche Zähne zeigte
und den Kopf zurückwarf, doch von echter Heiterkeit war nichts zu spüren. Er
nahm einen großen Schluck Bier. »Ich habe ein Angebot von L. L. Rosenkind
bekommen«, sagte er. »Gute Pauschale und ein Stück vom großen Kuchen, was ich
ganz sicher bei Luwisher Brothers nicht bekomme. Kommen Sie, setzen Sie sich
einen Moment.«
»Aha.« Sie ließ sich zum Sofa führen. »Die haben
neue Besitzer.«
»Ja. Kanadier. Ich weiß nicht, ob ich für sie
arbeiten möchte.«
»Kanadier? Ich meine, ich hätte gelesen, daß sie
aus Atlanta kommen.«
»Stimmt. Um Himmels willen, Wetzon, leben Sie
hinterm Mond? Wenn wir einen als Kanadier bezeichnen, meinen wir einen Juden.
Das weiß doch jeder, sogar die Kanadier.« Er nahm noch einen kräftigen Schluck
aus der Flasche.
Ja, dachte sie, lebte sie hinterm Mond? Die Intoleranz der Wall Street
machte sie zu einem Teil der realen Welt, wenn auch zu einem exklusiven Teil.
Sie nieste und gleich noch einmal. Die Diskriminierung war häßlich, und dennoch
stellte jeder sie stolz zur Schau. »Starr mich nicht so an, Warren«. sagte
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