Tödliche Option
sich wie zu Hause.« Er schaltete die Stereoanlage ein und
verschwand in ein Zimmer, bei dem es sich um das Schlafzimmer handeln mußte.
»Warren?« hörte sie ihn sagen, dann schloß sich die Tür.
Carly Simon erklang im Raum, während Wetzon, wie
ein guter Detektiv, das Terrain inspizierte. Warren? Wer war Warren? Als sie
die Dusche laufen hörte, erlaubte sie sich, ein wenig herumzuschleichen. Sofa,
Klubsessel, Couchtisch. Sie stellte ihr Getränk auf den Tisch. Weitere Beweise,
daß hier Kinder wohnten, Spielsachen, Fotos. Ein mit Büchern gefülltes Regal.
Sie nieste wieder. Zwei funkelnde gelbe Augen blinzelten sie vom obersten Brett
des Bücherregals an. Ihr Herz machte einen Satz. Menschenskind, eine Katze.
Eine große schwarze Katze. Kein Wunder, daß sie nieste.
»Guten Tag, Katze.« Die Katze starrte sie an und
sprang herunter, dann wieder auf den Couchtisch hoch und beobachtete sie, wie
sie durch das Zimmer streifte. Ein Schreibtisch. Ein Stapel Zeitungen. The
Journal und The Times. Ein Schreibtisch, dachte sie. Schubladen. Sie
zog sie leise auf, während sie auf die Dusche lauschte, blätterte Papiere
durch, schob sie zu. Auf der Schreibtischplatte lagen mehrere Briefe unter
einem Steubenapfel als Briefbeschwerer. Es waren private Briefe,
handgeschrieben. Sie verrückte den Briefbeschwerer und befühlte die Briefe. Sie
durfte es nicht tun. Sie würde es nicht tun. Sie tat es dennoch. Einer war von
seiner Mutter. Er war in Kennebunkport, Maine, abgestempelt. Sie überflog ihn
hastig. Mom machte ihm Vorhaltungen wegen der Trennung, wegen seines Berufs.
Nett, Mom. Zurück in den Käfig. Brief von Abby, seiner Frau. Diesen überging
sie. Zuunterst in dem Stapel lag ein Umschlag, auf den nur sein Name gedruckt
war.
Sie zog das einzige Blatt heraus und faltete es
auf. Es war eine Xerokopie der Namensliste, unversehrt, genau wie die Schnipsel
von Ellie, die sie zusammengesetzt hatte.
Wetzon erstarrte , überrascht von einer
Veränderung im Zimmer. Die Dusche. Das Geräusch hatte aufgehört.
Sie steckte das Blatt Papier wieder in den
Umschlag, zögerte einen Augenblick, dann schob sie den Umschlag in ihre
Handtasche. Sie spürte einen bohrenden Blick im Rücken, doch Chris war nicht im
Zimmer. Es war Warren, die Katze.
»Laß das.« Sie drohte der Katze mit dem Finger.
Sie starrte sie weiter an, ohne zu blinzeln.
Beherzt langte sie um sie herum nach ihrem
Drink, und eine schwarze Pfote mit einem weißen Handschuh erwischte ihre Hand
und schlug verspielt danach, als wäre es eine Maus. Wetzons Hand zuckte und
warf das Glas um. Warren sprang aufs Sofa und starrte wieder.
Das Glas lag umgekippt auf dem Couchtisch, und
sein Inhalt ergoß sich über den Tisch und den Teppich. »Verdammt«, sagte sie
zur Katze. Gott sei Dank war es nur Wasser. Sie rannte in die Küche, riß
Papiertücher von einer Rolle an der Wand und begann, die Pfütze aufzuwischen.
»Ich sehe, Sie haben Warren kennengelernt«,
sagte Chris leise, als er hinter sie trat. Sein Haar war vom Duschen feucht.
Erschrocken — sie hatte ihn nicht kommen hören —
plapperte sie: »Ich habe etwas verschüttet, tut mir leid.«
»Macht nichts. Warren hat die Angewohnheit,
Leute zu erschrecken. Es gefällt ihm, wenn sie sich dann schämen. Geben Sie
her, ich nehme es.« Chris brachte das aufgeweichte Papier und das leere Glas in
die Küche. Die Kühlschranktür wurde geöffnet und geschlossen. Der
Eiswürfelautomat brummte.
Wetzon betrachtete Warren. Wie dumm von ihr.
Sich von einer Katze zum Narren halten zu lassen. »Du«, sagte sie. Warren
starrte sie immer noch unverschämt an, während er die rechte Pfote leckte.
»Bitte, fangen wir noch mal von vorne an.« Chris
hatte ein neues Bier und reichte ihr ein frisches Glas Sodawasser. Er setzte
sich aufs Sofa und schlug ein Bein über. Er schien es nicht eilig zu haben, zu
seinem Abendessen zu kommen.
»Also, was spricht man dort unten bei Ihnen?«
fragte sie. Warum war sie so verwirrt, so aus dem Gleichgewicht?
»Setzen Sie sich, Wetzon, Sie regen sich über
irgend etwas auf. Das sieht man Ihnen an.« Chris klopfte auf das Kissen neben
sich. »Hau ab, Warren.« Er gab der Katze einen Klaps, die Katze fauchte und
sprang auf den Couchtisch.
»Warren. Was ist das für ein Name für eine
Katze?« fragte sie obenhin. Vielleicht sollte sie sich entschuldigen und gehen.
Nun starrten sie vier Augen an. Unlogisch fragte sie sich, ob Chris wußte, daß
sie den Umschlag an sich genommen hatte. Hatte
Weitere Kostenlose Bücher