Tödliche Option
unter
Kontrolle hatte, was mit mir passierte. Ich überlege unaufhörlich, was ich nur
getan haben könnte, was ihn auf den Gedanken...«
»Hör auf mich, Les, der Mann hat Probleme. Du
warst halt zufällig da. Du bist mit in seine Wohnung gegangen...«
»Silvestri, es ging um ein geschäftliches
Abendessen. Er lud mich ein, mit nach oben zu kommen. Ich konnte doch nicht gut
darauf bestehen, in der Halle zu warten oder ihn im Restaurant zu treffen. Das
wäre beleidigend gewesen. Ich wäre mir so hinterwäldlerisch vorgekommen, so
naiv und dumm...« Sie hielt inne. »Vermutlich wollte er, daß ich mich so
fühle.«
»Du hast etwas getrunken.«
»Sodawasser.«
»Egal. Diese Typen, die über Frauen herfallen,
haben eine kaputte Wahrnehmung von der Welt, Les. Es gibt ihnen eine Macht, die
sie normalerweise im Beruf oder auf der Straße nicht haben. Es macht sie an.
Gorham faßte deine Anwesenheit dort als bewußte Anmache auf.«
Sie spürte ihr Herz gegen den Brustkorb hämmern,
als wollte es zerspringen. »Silvestri, ich schwöre, daß ich nichts getan habe.«
Sie weinte schon wieder. Wie konnte sie das nur abstellen? Es reichte langsam.
»Ich weiß es, Les, aber du auch?« Sein Piepser
meldete sich.
»Ich will’s versuchen.« Sie lächelte ihn
verkrampft an. »Wann wollte Carlos hier sein?«
»Zehn, halb elf.« Er gab ihr den Kamm zurück und
griff zum Telefon auf dem Tisch neben ihrem Bett, tippte ein paar Zahlen,
wartete, sagte dann: »Silvestri.« Er rückte die Schulterhalfter zurecht,
während er murrend zuhörte.
Wetzon steckte den Kamm in die Handtasche und
sah den gefalteten Umschlag, der die xerokopierte Liste enthielt.
»Halt!« Silvestri sah sie fragend an. Sie zerrte
den Umschlag heraus, wobei sie einen willkommenen Adrenalinstoß verspürte, und
winkte ihm damit.
»Ja«, sagte er ins Telefon. »Verstehe. Ungefähr
fünfzehn Minuten.« Er legte auf. »Was ist das?« Er betrachtete den Umschlag,
dann zog er das Blatt Papier heraus und faltete es auf.
»Ich fand es in Chris’ Wohnung.«
»Aha?«
»Es ist genau das gleiche wie das Blatt, das ich
in kleine Schnipsel zerrissen in Ellis Make-up-Beutel bei Luwisher Brothers
gefunden habe — an dem Tag, als Dr. Ash ermordet wurde.«
»Ach ja? Na, wann hast du mir davon berichten
wollen?« Er hörte sich stocksauer an.
Sie war beleidigt. »Ich habe es vergessen. Es
schien mir wohl nicht so furchtbar wichtig. Ich konnte nicht wissen, ob es auf
Ashs Notizpapier geschrieben war. Sei bitte nicht böse. Ich habe es gestern
zusammengesetzt und hätte es dir am Abend gezeigt...«
»Herrgott noch mal, Les.«
»Schrei nicht. Ich fange an zu heulen.« Sie
konnte nichts dagegen tun. Die Hände auf die Augen gedrückt, weinte sie.
Er hielt sie fest, und sie weinte auf sein
sauberes weißes Button-down-Hemd, fühlte die Pistole in ihrer Hülle und fand
sie dieses eine Mal beruhigend. Gut, daß ich keine Waffe besitze, dachte
sie. Ich hätte Chris Gorham umgelegt.
»Ich liebe dich«, sagte Silvestri. Er küßte
zärtlich ihre geschwollene Wange und zog ein Papiertuch aus der Schachtel neben
dem Bett, um ihre Tränen aufzutupfen. »Du gehst immer auf Soloflug — auf deinem
Hosenboden. Ich bin hier der Detective, wie du weißt, und wenn wir
zusammenarbeiten, mußt du teilen.«
»Du hast recht. Aber wegen der Liste — bei
allem, was passiert ist, hatte ich die Papierfetzen bis gestern vergessen.«
»Für wen könnte sie etwas bedeuten?«
»Du kannst Chris fragen, du hast ihn in
Gewahrsam.«
»Darum ging es bei dem Anruf eben. Er ist
draußen. Seine Frau besorgte die Kaution.«
»Und was er mit mir gemacht hat? Moment, ich
verstehe nicht. Abby hat ihn rausgeholt? Ich dachte...«
»Sie hat die Anklage zurückgezogen.«
»So ein Mist, wie kann sie so dumm sein! Er wird
es wieder tun, wenn er keine Hilfe bekommt. Glaubst du, sie ist wieder zu ihm
in die Wohnung gezogen?«
Silvestri zog die Schultern hoch und steckte das
Papier in den Umschlag. »Wie sieht es bei dir aus?« Er verstaute den Umschlag
in der Innentasche seines hellbraunen Jacketts.
»Wie sieht was bei mir aus?«
»Deine Anklage.«
»Ich ziehe sie nicht zurück.«
»Das ist brav.«
»Du scheinst mich nicht sehr gut zu kennen, wenn
du meinst, ich würde das tun.« Sie war beleidigt.
»Ich kenne dich überhaupt nicht. Du bist ein
großes Geheimnis für mich.« Er strahlte sie an, und seine Augen wurden sehr
türkis. »Ich liebe dich auch, Silvestri. Danke für die Schokolade.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher