Tödliche Option
weiß. Du hättest deinen
italienischen Dick Tracy bei mir anrufen lassen können.«
Smith machte sie müde. »Ich bin auf dem Weg nach
Hause. Was hat Destry dir erzählt?«
»Er sagte, daß Chris zuviel getrunken hatte und
sich nicht wie ein Gentleman benahm, daß er zu weit ging.«
»>Zu weit< ist gut.«
»Und? Ist es wahr?«
»Smith, Chris schlug mir mit der Faust ins
Gesicht und versuchte, mich zu vergewaltigen. Hat Destry dir das gesagt?«
»Mein Gott, Zuckerstück, wie furchtbar für dich.
Aber es ist nichts passiert, richtig? Er hat dich doch nicht vergewaltigt.
Destry meint, du sollst nicht auf einer Anklage bestehen.«
»Und was meinst du, Smith?«
»Nun, natürlich kann ich solche Entscheidungen
nicht für dich treffen, aber...«
»Das brauchst du auch nicht. Ich tu’s nämlich.«
»Du tust was? Anklage erheben?«
»Ja.«
»Zuckerstück, ich weiß, du bist außer dir und
verletzt, aber das geht vorbei. Du willst nicht daran festhalten. Du mußt vor
Gericht erscheinen, und alles kommt heraus.«
»Was meinst du damit, alles kommt heraus?«
»Na ja, weißt du, dein Leben... die Verhandlung
kann so persönlich werden... Außerdem hat Chris eingewilligt, sich einer
Therapie zu unterziehen, also darfst du es einfach nicht tun.«
»Ich darf nicht?«
»Ja, du weißt schon, was ich meine. Du darfst
nicht auf der Anklage bestehen.«
»Was redest du da für einen Mist?« Der unter der
Oberfläche siedende Zorn wallte nun richtig auf. »Du mußt ihm eine Chance
geben, sich behandeln zu lassen, und nicht alles noch schlimmer machen.«
»Seit wann sorgst du dich so um Chris? Bisher
hast du ihn immer schlechtgemacht.«
»Kleines, du hörst mir nicht zu. Du darfst nicht
auf der Anklage bestehen. Wir würden da ein schreckliches Signal aussenden.«
»Was für ein Signal?« Wetzon hörte ihre Stimme
lauter werden.
»Jetzt beruhige dich einen Moment und laß mich
reden. Jeder wird dadurch mitbekommen, daß wir Frauen sind, Schatz.«
»Wir sind Frauen!«
Smith ging darüber hinweg. »Es wird die
Aufmerksamkeit auf uns als Frauen lenken, nachdem ich so hart daran gearbeitet
habe, uns davon...«
Wetzon legte auf.
»Ich verstehe nicht, warum dich das
überrascht.« Carlos reichte ihr einen in ein Geschirrtuch gewickelten
Eisbeutel. »Drück das auf die Schwellung.«
»Hör endlich auf, wie ein Kindermädchen hin und
her zu rennen. Laß dich irgendwo nieder und unterhalte dich mit mir.« Sie
schnickte den Zopf nach vorn über die Brust. »Wirf mir nur noch die Wolldecke
rüber. Ich friere.« Sie lag mit angezogenen Beinen auf dem Sofa im Wohnzimmer
und schlürfte Eistee, den Carlos zubereitet hatte.
Ihre Wohnung mit den Holzläden, den gesteppten
Decken an den Wänden und den ländlichen Möbeln hatte nie schöner ausgesehen.
Die Farben der Decken schienen zu leuchten, obwohl sie wußte, daß sie in
Wirklichkeit matt waren. Sie berührte zärtlich den kleinen, mit einem
geometrischen Muster bestickten Läufer, den sie als Blickfang auf das braune
Sofa gelegt hatte, und betrachtete die sorgfältigen Stiche, die eine unbekannte
Hand vor langer Zeit ausgeführt hatte. Das Eis klirrte in dem hohen Glas,
während es schmolz, und der Tee war dunkel und seidig durch die Zitrone.
Sie war sicher, ihr Geruchssinn würde geschärft
sein, wenn sie nur durch die Nase atmen könnte. Sie hatte eine furchtbare
Begegnung mit dem Tod gehabt, und die Welt erschien ihr anders und neu.
Carlos ließ die Wolldecke auf ihre Beine fallen.
»Du siehst besser aus, Häschen. Laß den Eisbeutel drauf.«
»Carlos, ich mag deinen scharfen Verstand.«
»Ich deinen auch.«
»Du meinst doch nicht, daß ich die Anklage
zurückziehen sollte?«
»Nein. Ich möchte Chris Gorham geteert und gefedert
und mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt sehen. Ich meine, du mußt es
dem Schwein heimzahlen, daß er dasteht wie Piksieben.«
Sie ließ den Eisbeutel in den Schoß fallen und
streckte behutsam die Beine vor sich aus. »Piksieben...« wiederholte sie. Es
löste etwas aus. Pik... Karten... ihr Traum vom Pokerspiel. Sie fröstelte.
»Falls du an den Barrakuda denkst, vergiß es.
Sie würde ihr Kind verkaufen, wenn nur der Preis stimmte. Sie will dir ein Bein
stellen.« Er setzte sich aufs Sofa und hob ihre Füße auf seinen Schoß, um sie
zu streicheln. »Hör zu, Häschen...«
»Hm, jetzt macht er ein Gesicht, als sollte es
ernst werden.« Sie grinste ihn schief an, dann zuckte sie zusammen. Sogar die
Zähne taten ihr weh. Der
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