Tödliche Option
gewesen.«
Draußen war die Hitze unerträglich, und
Manhattan sah wie eine Zementwüste aus. Laura Lee stieg in ein Taxi, und Wetzon
schlenderte zum Broadway hinüber. Die Luft war feucht und schwer. Die West Side
wirkte wie eine Geisterstadt. Bis auf Stadtbusse gab es kaum Verkehr, und das
einzige Taxi, das sie sah, war das, in das Laura Lee eingestiegen war.
An der Ecke Broadway und 86. Street schaute
Wetzon nach Süden. Die verlassenen Straßen flirrten in der Sonne wie eine
optische Täuschung. Es mußte an ihren Augen liegen. Sie nahm die Sonnenbrille ab.
Es waren nicht die Augen. Die Palmen auf dem Streifen zwischen den
Richtungsfahrbahnen ließen die Wedel bis auf die trockene Erde hängen. Palmen?
War sie verrückt? Sie setzte die Brille auf. Noch eine optische Täuschung.
Das mexikanische Lokal mit Straßenverkauf hatte
die Klimaanlage auf kalt gestellt. Wetzon bestellte eine Chimichanga zum
Mitnehmen, und während sie wartete, beobachtete sie die flinken Hände des
Kochs, der die Tortilla ausrollte, füllte, zusammenrollte und in das heiße Öl
gleiten ließ. Sie fragte sich, ob er mit diesen Händen seine Frau oder Freundin
schlug.
Hör auf damit, dachte sie.
Er ließ die Rolle abtropfen und legte sie
gefällig in einen Behälter aus Alufolie, fügte Bohnen, Reis und Salsa hinzu,
dann rollte er den Folienrand mit beneidenswertem Geschick um den Deckel aus
Pappe, während er gleichzeitig mit einem sauberen weißen Tuch die verschüttete
Soße um die Seiten abwischte.
Wieder draußen auf der Straße, stach die Sonne
durch den Strohhut, und Schweiß floß Wetzon in Rinnsalen über das Gesicht, so
daß die Sonnenbrille auf der Nase rutschte. Uber ihr war der Himmel blau und
wolkenlos und doppelt rücksichtslos. Sie fühlte sich wie auf einem Grill und
fragte sich, bei welcher Temperatur Blut kochte.
Oben angekommen, ließ sie ihre Post und die
Chi-michanga auf die Küchentheke fallen und ging ins Wohnzimmer. Sie hängte den
Strohhut über einen Knauf an der Stuhllehne, stellte sich vor die Klimaanlage,
drehte sich um, ließ sich abkühlen, drehte sich wieder um und dachte über die
Teile des Puzzles nach. Ihre Prellungen reagierten auf den Temperaturwechsel.
Sie verließ die Kälte und schleppte sich ins Schlafzimmer.
Endlich lag sie auf dem Bett, begutachtete die
Balken an der Decke, ließ den Blick über das Messingfiligran des
Deckenventilators wandern, der sich träge auf der niedrigsten Stufe drehte.
»Warum«, hatte Wetzon Laura Lee gefragt, »legt
ein Makler zwei Konten mit derselben Nummer an?«
»Es könnte sich um ein Versehen des Sekretariats
handeln.«
»Wie ist das im Zeitalter des Computers möglich?«
»Liebes Kind, das passiert häufiger, als du
denkst. Wir sind nur so gut wie die Hilfe, die wir bekommen, und bei den ganzen
kostendämpfenden Maßnahmen bekommt man Helfer, die nicht lesen, schreiben oder
begreifen können. Man bekommt, wofür man zahlt.«
»Okay, okay, langer Rede kurzer Sinn.« Wetzon
lachte. »Ich verstehe den Hauptpunkt. Was könnte es noch bedeuten?«
»Also, Wetzon, du hast das nicht von mir — aber
sieh dir mal die Namen an. Es könnten Scheinkonten sein, erfundene Namen, die
alle zu demselben Makler führen.«
»Und das ist ungesetzlich...«
»Du meine Güte, was ist nicht alles
ungesetzlich. Und wenn das Geschäft rege ist, können sie Aktien kaufen und
verkaufen, ohne jemals dafür zu zahlen. Das ist so was wie Wechselreiterei,
Kleines, und das ist streng verboten. Und wenn es sich um ein Optionskonto
handelt, kann man Unmengen verdienen, weil man sich nicht an die
Deckungsbedingungen halten muß.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Schatz, die Vorschrift ist, daß du beim
Geschäft mit Optionen Geld als Deckung auf dem Konto haben mußt. Wenn du
mehrere Konten hast, kannst du immerzu von einem Konto zum andern wechseln und
brauchst nie deine Karten auf den Tisch zu legen..«
»Das sieht mir aber nach ganz schön viel Streß
aus.«
»Hör zu, liebe Wetzon, du glaubst nicht, wie
vielen Leuten es durch solchen Streß blendend geht. Stelle ein habgieriges
Computergenie mit einem Hang zum Diebstahl in ein Maklergeschäft, und du kannst
dich darauf verlassen, daß er unendlich viele Möglichkeiten findet, um sein
Schäfchen ins trockene zu bringen.«
»Mich laust der Affe!« kreischte Laura
Lee. »Er möchte dein intimer Freund sein, aber er ist in seinen Psychiater verliebt?«
Nur fünf Frauen waren noch da. Laura Lee,
Wetzon, Anne, Tobie und Sylvie.
Weitere Kostenlose Bücher