Tödliche Option
heute abend bei Goldman Barnes II. vorbeigeschaut.«
»Was? Er wird doch nicht verdächtigt?«
»Wir schließen noch keinen aus.«
»Hast du etwas aus ihm herausgekriegt?« Sie
rollte sich wieder auf ihre Bettseite und kroch unter die Decke. Ihre
Augenlider waren schwer. Sie würde einschlafen, bevor er vom Duschen
zurückkäme.
»Er hatte eine Frau bei sich...«
»Aha.« Sie spürte, wie der Schlaf sie allmählich
überkam.»Eine, die ich kenne?«
»Allerdings, Xenia Smith.«
Der Mittwoch dämmerte mit einem klebrigen,
trägen Dunst herauf; die Lokalnachrichten meldeten, daß die Nachttemperatur
nicht unter 30 Grad gefallen war. Die City vibrierte vor Hitze, und die New
Yorker nahmen allmählich das trübe Aussehen von Menschen an, die eine
Naturkatastrophe durchlebten.
Wetzon, in lindgrüner kurzärmeliger Seidenbluse
zum cremefarbenen Seidenkostüm, dessen Jacke sie ordentlich gefaltet über dem
Arm trug, erwischte an der Central Park West ein klimatisiertes Taxi und kam
kaum später als zur gewohnten Zeit in ihr Büro. Sie bewegte sich ziemlich
langsam, doch das taten bei dieser unablässigen Hitze alle.
The Times stellte dem Bürgermeister die Titelseite zur Verfügung, als er ein
Fahrverbot für Autos mit nur einer Person in der City ankündigte und drohte,
den gesamten Autoverkehr zu verbieten, falls die Inversionslage anhielte.
Einige Tage zuvor hatten Times und Journal die
Hauptberichterstattung über die Wall-Street-Morde auf die hinteren Seiten
verbannt und sie den hysterischen Schlagzeilen der News und der Post überlassen.
Doch jetzt hatte die extreme Hitze alles verdrängt, sogar die Politik.
Sie bezahlte den Fahrer mit einem
Fünf-Dollar-Schein, den sie aus dem Reißverschlußfach ihrer Handtasche zog, und
sprang auf die Tür zum Büro zu, indem sie die Luft anhielt, um möglichst wenig
Schadstoffe einzuatmen.
»Sie ist hiiiiier«, rief Harold laut. Er saß auf
der Kante von B. B.s Schreibtisch und las einen Fahndungsbogen, wobei ein etwas
selbstgefälliges Lächeln über sein Gesicht huschte. B. B. sah sie nervös an,
dann wandte er sich ab.
»Guten Morgen... glaube ich.« Wetzon merkte
sofort, daß etwas in der Luft lag.
»Wetzon!« rief Smith. »Komm mal gleich rein.«
»Was ist denn los?«
»Komm herein und mach die Tür zu. Nicht stören,
B. B. Nehmen Sie nur alle Nachrichten an.« Smith schien außer sich; ihr Haar war
zerwühlt. Sie wedelte mit den Armen und schritt durchs Zimmer wie ein Tier im
Käfig, ein Leopard im weißen Kleid mit schwarzen Tupfen. »Jetzt hast du’s
tatsächlich geschafft. Wie konntest du bloß? Du weißt doch, wie
vorsichtig wir sein müssen.«
»Moment mal. Was soll ich getan haben?« Wetzon
warf Handtasche und Aktentasche auf ihren Stuhl und zog die Kostümjacke an.
Dann, ordentlich gewappnet, sah sie Smith an.
»John Hoffritz hat eben angerufen und mir
gesagt, daß du Luwisher Brothers bei Sharon Murphy schlechtgemacht hast. Er
sagt, wir werden nie mehr für sie arbeiten. Ich glaube, dir ist klar, wie hart
ich an dieser Beziehung gearbeitet habe, wie schwierig Hoffritz zu handhaben
ist. Du brauchst dich ja nur mit Maklern zu befassen.« Sie blieb stehen
und baute sich, die Hände auf den Hüften, vor Wetzon auf. »Wie konntest du bloß?« Ihre Stimme schlug in hysterisches Jammern um. » Und sie
schulden uns noch soviel Geld .«
»Zu deiner Information — ich habe Luwisher
Brothers nicht schlechtgemacht. Wer behauptet das?« fragte Wetzon
wütend.
»Wirklich nicht?« Smith ließ sich, ein wenig
abgeregt, auf den Stuhl fallen. »Du mußt irgendwas gesagt haben. Die greifen
das doch nicht aus der Luft.«
»Zunächst einmal habe ich ihr gesagt, daß ich
Luwisher Brother so ungefähr für die beste Stelle in Wall Street halte, und
dann geraten, sich über die Schuldenseite zu informieren. Sie macht mehr als
fünfzig Prozent ihres Umsatzes mit festverzinslichen Wertpapieren, und auf dem
Gebiet kann Luwisher Brothers nicht mit dem Bestand der größten Häuser
mithalten.«
»Das stimmt natürlich, aber mußtest du ihr das sagen ?«
klagte Smith.
»Smith, unseren Kandidaten hätte ich es
auch gesagt. Was für einen Sinn hat es, einen Makler zu einer Firma zu
schicken, wo er seine Geschäfte nicht machen kann? Was ist passiert, hat sie
das dem anderen Headhunter weitergesagt?«
»Welchem anderen Headhunter? Haben nicht wir sie
zu Luwisher Brothers geschickt?« Smith war verwirrt.
»Nein, eben nicht. Sie wollte keinesfalls dort
runter. Und sie
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