Tödliche Pralinen
gluckste er. „Nestor
Burma bietet sich an, Ihre Unschuld zu beweisen, Tanneur!“
„Warum nicht?“ gab ich zurück.
„Und warum sollten Sie? Leider kommen Sie etwas
spät, Burma! Privatdetektive — ob sie nun Geheimnisse k. o. schlagen oder nicht
— sind auch nicht mehr das, was sie mal waren!“
„Ich kann dem Inspektor alles erklären“,
ereiferte sich Frédéric Tanneur. „Wenn ich an dem Tag nur nicht so blau gewesen
wäre, wäre nichts passiert.“
„Ich hoffe, in Zukunft werden Sie sich vor
Alkohol in acht nehmen“, sagte Jannet schulmeisterhaft. „Nehmen Sie sich an mir
ein Beispiel: Mineralwasser!“
Der Winkeladvokat spielte sich doch tatsächlich
als Moralapostel auf! Das alleine lohnte schon den Besuch.
„Oh, mit dem Alkohol ist es vorbei!“ rief
Tanneur mit einer Aufrichtigkeit, die ihm noch nicht so recht zu Gesicht stand.
„Hab’s dem Großen Manitu versprochen!“
„Dann brauchen Sie meine Hilfe ja nicht mehr“,
stellte ich enttäuscht fest.
Jannet musterte mich eindringlich. Ich setzte
mein wütendes Gesicht auf. Ganz der zornige junge Mann, dem alles danebengeht
und der sich mit aller Welt überworfen hat, so daß er nur noch rot sieht.
Redegewandt hielt der Anwalt einen langen Vortrag. Als sie, er und sein Mandant,
von der Sache mit der Papiertüte gehört hätten, habe sich Tanneur den Kopf
darüber zerbrochen, wie und wann dieses verdammte Ding in seine Tasche gelangt
sein könnte. Plötzlich, vor ein paar Minuten, grade bevor ich reingeschneit
sei, sei ihm, Tanneur, ein Licht aufgegangen: Er habe die Bonbontüte im Taxi
gefunden, nach der letzten Fahrt. Ja, ja, er erinnere sich jetzt ganz genau...
„...Und es gibt sogar Zeugen, die das bestätigen
können“, tönte der Mann mit dem Solitär. „Ich rede nicht von dem Fuchs. Dem hab
ich dreitausend Francs gegeben, damit er den Mund hält. Weil ich nämlich zuerst
gedacht hatte, das Indiz könnte gefährlich werden. Jetzt würde ich dem Kerl
fünftausend geben, damit er ihn aufmacht, um die Geschichte mit der Tüte zu
bezeugen! Oh, jetzt hab ich zugegeben, daß ich den Mann bestochen habe... Sie
werden doch Faroux nichts davon erzählen, hm?“
„Mir scheint, Sie legen es ganz im Gegenteil
darauf an, daß ich dem Inspektor genauestens Bericht erstatte“, erwiderte ich. „Ich
will Sie gar nicht von meinem Pflichtbewußtsein als Bürger überzeugen... Aber
was die Bestechung angeht: Faroux weiß bereits bestens Bescheid.“
„Ein schlauer Kopf, der Inspektor“, bemerkte
Jannet schmunzelnd. „Aus dem kann noch was werden.“
Wir verabschiedeten uns als relativ dicke
Freunde. Vor dem Haus stand einer von Florimonds Männern Wache. Mit einem
Schild um den Hals, das seinen Beruf verraten hätte, hätte er nicht auffälliger
ausgesehen.
* * *
Ich dachte darüber nach, daß Tanneur einen
ganzen Tag gebraucht hatte, um das Märchen mit der Bonbontüte zu erfinden. Sie
hatten sich wirklich Zeit gelassen! Das sprach nicht grade für die — im
allgemeinen blühende — Phantasie von Maître Jannet. Ach ja, richtig! Er hatte
noch die nötigen Zeugen auftreiben müssen, um der Glaubwürdigkeit seines
Mandanten nachzuhelfen.
So langsam wurde mir auch die Beziehung zwischen
dem Mann mit dem Solitär und Frédéric Tanneur klar.
Ermittlungen
in Levallois
Die Sonne brannte auf den weitläufigen Innenhof,
dessen Pflaster hier und da Ölflecken aufwies. Mitten auf dem sonst leeren Hof
schlief ein mächtiger Hund und schnappte im Traum nach Fliegen. Im hinteren
Teil befanden sich dunkle Schuppen. Sie standen offen, so daß man die Rampen
und Hebebühnen sehen konnte. Auf der rechten Seite des Hofes stand das dreistöckige
Bürogebäude der Taxizentrale. Der winzige Glaskasten neben dem Eingang wirkte
lächerlich angesichts des kraftstrotzenden Kerls, der darin saß wie ein Bär auf
dem Jahrmarkt in seinem Käfig.
Ich näherte mich der Pförtnerloge.
„Guten Tag“, grüßte ich. „Na, alles klar? Hören
Sie, ich bin ‘n Freund von Fred Tanneur. Er hat was vergessen, und ich soll
einen seiner Kollegen fragen, ob... Also, der Kollege heißt... äh... Ah,
verdammt, jetzt hab ich den Namen vergessen! Nein, für so was taug ich einfach nicht,
mein Namensgedächtnis ist wie ‘n Sieb...“
Der Kerl in dem Glaskasten ließ mich
ausstottern. Schließlich sagte er, ich solle mir keine Mühe geben, den
Journalisten sehe man mir schon von weitem an, und ich solle nicht so das
Gesicht verziehen, davon werde er
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