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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gab mir sein Ehrenwort, daß ich etwas
gegessen und getrunken hätte. Er trieb seine Liebenswürdigkeit sogar so weit,
mir einzeln aufzuzählen, was ich verzehrt hatte. Was er sagte, klang
vernünftig, aber ich konnte mich ums Verrecken an nichts erinnern. Doch es
mußte wohl stimmen, denn ich verspürte weder Hunger noch Durst.
    Ich beschloß, zur Erholung die Vernissage von
Julien Théron zu besuchen. Dort würde ich bestimmt Marc Covet und René Galzat
treffen. Eine schöne Erholung!
    Vor der Galerie Moderne in der dunklen
Rue Jacob standen mehrere teure Autos. In den Räumen der Galerie drängte sich
eine bunt zusammengewürfelte Menschenmenge. Wenn man Glück hatte, konnte man
durch eine Lücke die schreienden Farben eines Bildes erspähen. Niemand
interessierte sich dafür. Schließlich geht man nicht zu einer Vernissage, um
sich Bilder anzusehen! Man redet über dies und das, vor allem über andere Leute
und insbesondere über Abwesende. Bei einer Vernissage über Kunst zu
diskutieren, gilt überall auf der Welt als unpassend.
    Julien Théron behielt die Eingangstür im Auge,
um die Barone (Finanzbarone eingeschlossen!), Marquisen und Gräfinnen zu
zählen, die ihm die Ehre erwiesen. Als er mich sah, kam er auf mich zu. Im
selben Moment erblickte ich Covet und Galzat. Die beiden gaben ein hübsches
Paar ab. Plauderten so charmant miteinander, als hätten sie an derselben Brust
genuckelt. Nicht weit entfernt von den Redakteuren des Crépu stand
Reboul. Irgendwie hatte er es geschafft, sich in dieses mondäne Fegefeuer
einzuschleichen. Er schenkte seine Aufmerksamkeit zu gleichen Teilen René
Galzat und einer kleinen Brünetten à la Montparnasse, die er sicher kostenlos
beschattet hätte.
    Noch während ich dem Makler die Hand schüttelte,
winkte ich die beiden Journalisten heran. Sie gehorchten gerne, die Hände zur
Begrüßung ausgestreckt, die Gesichter vom Lächeln ganz verkrampft. Galzat und
Théron schienen sich nicht zu kennen. Ich stellte sie einander vor.
    „Im Ernst?“ wunderte sich der Maler. „Nestor
Burma stellt René Galzat vor? Das ist ja ‘n Ding! Ich dachte, Sie wären
Rivalen...“
    Ich tat das mit einer Handbewegung ab.
    „Nur zu Reklamezwecken“, erklärte ich lachend. „Trotzdem...
Wenn ich geahnt hätte... Na ja, jedenfalls... Ich freue mich! Mit Ihnen wollte
ich mich nämlich unterhalten, Monsieur Galzat. Hab Sie gar nicht reinkommen
sehen... Offensichtlich fehlt mir der sichere Blick eines Nestor Burma!“
    „Sie wollten mich sprechen?“ fragte Galzat
ziemlich überrascht.
    „Besser, wir gehen raus“, schlug Théron vor,
womit er uns alle vier meinte. „Da sind wir ungestörter.“
    Draußen vor der Galerie begann der Maler
ungestört:
    „Sie werden mich vielleicht für verrückt
erklären, aber das ist mir egal. Hab mich inzwischen daran gewöhnt und pfeife
auf das, was andere von mir denken. Zur Sache, Monsieur Galzat: Nach der
Vernissage, die hoffentlich gegen halb eins beendet sein wird, gebe ich eine
kleine Party in meinem Atelier. Von den Blödmännern da drin wird niemand dabeisein...“
Er lachte. „Nur ich. Im engsten Kreise, höchstens zehn Leute. Kann ich mit
Ihnen rechnen, Monsieur Galzat?“
    „Aber gerne“, sagte der Journalist lächelnd. „Und
deshalb soll ich Sie für verrückt erklären?“
    „Ich lade Sie auf Bitten einer Dame hin ein, die
Sie unbedingt kennenlernen möchte. Eine sehr vornehme Dame. Hinreißend! Und
hinreißende Frauen darf man nicht enttäuschen. Falls Sie sich bei uns nicht
wohlfühlen, haben Sie immer noch die Möglichkeit, sich nach einer Viertelstunde
wieder zu verabschieden. Aber kommen müssen Sie! Ich versichere Ihnen, Sie
werden es nicht bereuen...“
    Die Sache gefiel mir ganz und gar nicht.
Trotzdem — oder gerade deswegen — bemühte ich mich, einen kleinen Scherz zu
machen:
    „Sieh mal an, unser Théron! Wußte gar nicht, daß
du ein so talentierter Kuppler bist, mein Lieber!“
    „Man muß schließlich leben“, gab er
achselzuckend zurück.
    „Ich nehme Ihre Einladung an“, sagte Galzat. „Oder
besser gesagt: die der schönen Unbekannten. Denn... Ich hoffe doch, daß sie
schön ist?“
    „Sehr sogar.“
    „Wo wohnen Sie?“
    „In Montrouge“, mischte ich mich ein. „Wir
können zusammen hinfahren.“
    Julien runzelte die Stirn.
    „Du kommst auch?“
    Es schien ihn nicht sehr zu begeistern.
    „Die Unschuld unseres jungen Sherlock Holmes ist
in Gefahr. Ich muß auf ihn aufpassen!“
    „Tja... ich weiß

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