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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Zirkus...“
    „Das ist kein Clown, sondern ein Mann wie du und
ich, wenn ich das mal so sagen darf. Muß mal ein Klient von uns gewesen sein.
Wühlen Sie doch bitte ein wenig in unserem Archiv!“
    Ich mußte den Künstlernamen buchstabieren. Am
anderen Ende der Leitung hörte ich nur ein Glucksen.

Die
Wunde am Daumen
     
    Beim Nachbarn von Thomas Jannet schlug die
Standuhr viermal, als ich ebensooft beim Anwalt läutete. Der chinesische Butler
öffnete die Tür. Er erkannte mich wieder — das sah ich an einem kurzen Aufleuchten
in seinem Blick — , führte mich aber dennoch ohne weiteres zu seinem Chef.
Bisher hatte mich dieser nicht kaltgestellt; trotzdem wartete ich nicht darauf,
daß Chang mich anmeldete, und betrat vor ihm das Büro.
    Jannet lümmelte sich in einem Sessel. Über ihm
hingen ein riesiges Foto irgendeines ehemaligen Polizeipräfekten und andere,
etwas bescheidenere Porträts von bärtigen Abgeordneten. So konnte ich mir ein
ungefähres Bild von der Länge des Armes machen, den der Mann mit dem Solitär
besaß.
    Neben ihm stand, Zigarette im Mund, ein
offensichtlich verlegener Frédéric Tanneur. Sah so aus, als hätte er sich
soeben verabschieden wollen.
    „Was platzen Sie hier einfach so rein wie ‘ne
Bombe?“ fuhr mich Jannet an. „Solche Überfälle mag ich ganz und gar nicht, Monsieur
Burma!“
    „Entschuldigen Sie“, erwiderte ich lächelnd, „aber
vor allem mögen Sie es nicht, daß ich Sie beim Gespräch mit Ihrem Mandanten
überrasche. Ist es nicht so? Wahrscheinlich haben Sie Angst, daß ich Sie bei
Faroux verpfeife. Da kennen Sie mich aber schlecht, Maître!“
    „Der verlorene Sohn ist zurückgekehrt, jawohl.“
    „Faroux wird sich freuen... falls Sie ihm das
freudige Ereignis mitteilen. Über meine Lippen wird nämlich, wie gesagt, kein
Sterbenswörtchen kommen. Schließlich bin ich kein Flic, sondern Privatdetektiv.
Was nicht heißen soll, daß mein Besuch privater Natur ist..
    „Hm“, brummte Jannet nur.
    Tanneur setzte sich wieder. Mir fiel auf, daß er
ein wenig hinkte, und seinen linken Daumen schmückte ein frischer Verband.
    „Also, was verschafft mir die... Ehre Ihres
außerprivaten Besuchs?“ fragte der Anwalt.
    „Kennen Sie René Galzat?“ fragte ich zurück.
    „René Galzat?“ Er tat so, als überlege er, wobei
er seinen Diamanten blankpolierte und mich unverwandt ansah. „Kommt mir bekannt
vor, der Name. Ist das nicht ‘n Kollege von Ihnen?“
    „Was verstehen Sie unter ,Kollege“? Einer der
Licht in dunkle Kriminalfälle bringt, ohne zur Tour Pointue zu gehören?“
    „Ich meine damit einen Schnüffler, der sich um
Dinge kümmert, die ihn nichts angehen.“
    „Dann ist Galzat ganz und gar kein Kollege von
mir. Mit Ihrer Charakterisierung haben Sie aber recht. Der Journalist ist genau
das, was ich nicht bin. Im Augenblick jedenfalls versucht er, mich lächerlich
zu machen und sich von Volkes Stimme als der Mann feiern zu lassen, der Geheimnisse
reihenweise k. o. schlägt. Hört sich lustig an, ist es aber nicht. Ich werde es
nicht zulassen, daß der junge Mann mir ins Gehege kommt. Wo er auch auftaucht,
ich werde vor ihm dasein. Ich bin bereit, mich mit jedem seiner Feinde zu
verbünden.“
    Ich hatte mich richtig in Rage geredet. Jannet
brach in schallendes Gelächter aus.
    „Wütend sehen Sie besonders hübsch aus“, stellte
er fest. „Man könnte meinen, Sie wollten den Kerl fressen! Sollte ich mal
Kinder haben, leih ich Sie als Knecht Ruprecht aus! Gut gebrüllt, Löwe, aber
warum brüllen Sie ausgerechnet hier rum? Was glauben Sie, wie egal mir Ihr
Galzat ist?“
    Ich holte meine Pfeife hervor und begann sie zu
stopfen, ganz wie jemand, der sich beruhigen will.
    „Hab mich hinreißen lassen“, murmelte ich nach
einer Weile. „Ich wollte mich nicht an Ihrer Brust ausweinen... Hier, das hab
ich Ihnen mitgebracht.“
    Ich reichte ihm den Abzug des Artikels, den Marc
Covet geschrieben und mit R. G. unterzeichnet hatte.
    „Das wird der Crépuscule wohl in seiner
Abendausgabe bringen“, fügte ich hinzu.
    Thomas Jannet überflog das Geschriebene. Sein
Gesicht wechselte fünf- oder sechsmal die Farbe, wurde abwechselnd rot und
blaß, dann violett.
    „Der Artikel wird nicht erscheinen“, knurrte er.
    Er wuchtete seinen massigen Körper aus dem
Sessel und wollte zum Telefon greifen. Ich kam ihm zuvor.
    „Der Artikel wird nicht erscheinen“, wiederholte
ich wie ein Echo. „Ich hab schon das Nötige veranlaßt.“
    „Sie...“
    „Ja, ich.

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