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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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seekrank. Im übrigen wisse er nicht, welche
Art von Informationen ich brauche, aber ich hätte Schwein, er sei so ziemlich
der einzige Pförtner, der nichts gegen Reporter habe. Das sei nämlich so...
    „...Einer meiner Nachbarn hat mal seine Frau in Stücke
gehackt, und danach hat ‘n Kollege von Ihnen ‘n ganzen Artikel über mich
veröffentlicht, einfach so, über mich, nur weil ich in dem kriminalen Haus
gewohnt hab! Und was soll ich Ihnen sagen, der Artikel — ist übrigens im Petit
Parisien erschienen — also der Artikel hat mächtig Eindruck auf ‘n Weib
gemacht…“
    Der langen Rede kurzer Sinn: Er forderte mich
auf, frisch von der Leber weg zu reden. Ich nahm das Angebot ohne Zögern an.
Das mit der frischen Leber sei meine ganz besondere Spezialität, damit sei ich
sozusagen verheiratet, um nicht zu sagen, wir seien überhaupt ein und dasselbe
(ich meinte immer noch die frische Leber), und mir falle, um im Bild zu
bleiben, ein Stein vom Herzen, denn ich wisse wohl, wie jämmerlich meine
Versuche, Lügen aufzutischen, immer endeten.
    Er bemerkte nur, daß er immer geglaubt habe, die
Leute von der Zeitung wären geschickter beim Lügenauftischen.
    Ich zeigte so viele Zähne wie möglich, um ihm zu
zeigen, wie sehr ich seinen Humor schätzte.
    „Sie sind ‘n Pfundskerl!“ erklärte ich frisch
von der Leber weg. „Noch so’n Spruch, und ich komm mit meiner Kodak wieder
und bringe Ihr Foto auf die erste Seite!“
    Er wurde rot und wollte wissen, für welches „Käseblatt“
ich arbeitete.
    „Für den Crépuscule “, sagte ich, so als
verriete ich ihm ein Staatsgeheimnis.
    Der Tanzbär war außer sich vor Freude. Als ich
ihm dann noch meinen Namen nannte — René Galzat — , hätte er beinahe die Augen
verdreht und wäre in Ohnmacht gefallen.
    „René... Galzat?“ stammelte er. „Der, der...
der... Nestor Burma bald k.o. schlägt?“
    „Genau der!“ bestätigte ich lachend.
    „Also, wirklich... nee!“
    Ich gab ihm ein paar Sekunden Zeit, um sich
wieder einzukriegen, und tischte ihm dann ein paar Lügen auf, um mir zu
beweisen, daß ich das noch nicht verlernt hatte, und um ihm die Gründe für mein
Interesse an Tanneur zu liefern. Dafür erhielt ich von ihm den Namen eines
Kollegen des Taxifahrers: Pradines, ein Wagenwäscher, den ich im Schuppen C
finden würde.
    Im Schuppen C wurde ich von einem halben Dutzend
Gummihammerschwingender Männer in blauen Overalls empfangen. Da alle übers
ganze Gesicht lachten, sah ich in ihrer Geste nichts Bedrohliches. Vielleicht
kamen sie aus einem fernen Land, in dem es Brauch war, Besucher auf diese Weise
Willkommen zu heißen. Der Arbeiter allerdings, der mich ansprach, hatte einen
lupenreinen Pariser Vorstadtakzent.
    „Na, habense gesehn? Wir spielen grade ,Schlagt
die Dicken tot!’“
    „Meinen Sie den Tanzbären im Glaskasten?“ fragte
ich.
    Sie brüllten vor Lachen. Nein, versicherte mir
einer, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, sie sprächen von Ratten, so
dick wie Kaninchen. Die Viecher würden in den Büros der Zentrale rumlaufen und
alle Papiere anfressen, die ihnen vor die Zähne kämen. Als nächstes wären die
Büstenhalter der Sekretärinnen dran, haha! Ich lachte zwei Minuten mit, dann
fragte ich nach Pradines. Ein Älterer mit grauem Schnurrbart trat vor.
    „Ich hab Neuigkeiten für Sie, von Tanneur“,
sagte ich und zog ihn beiseite. „Er wird nämlich so schnell nicht wieder zur
Arbeit kommen. Sein Junge ist plötzlich gestorben, das hat ihn mitgenommen. Er
ist völlig von der Rolle. Ich soll Sie etwas fragen, was Vertrauliches... Haben
Sie Fred am 17. gesehen, als er seinen Wagen hier abgestellt hat? Könnte es
nicht sein, daß er eine Tüte mit Pralinen in seinem Wagen gefunden hat? Hat er
Ihnen sogar eine davon angeboten?“
    „Hört sich verdammt nach Bullenfragen an“,
knurrte der Alte und sah mich mißtrauisch an.
    „Hier sind zwanzig Francs. Dafür bringt Ihnen
jeder Kellner ‘n volles Glas. O.k.?“
    „O.k.“
    Er schob das Geld in seinen Blaumann.
    „Na ja“, begann er und strich seinen Schnurrbart
glatt. „Um 3 hat Fred sein Taxi zurückgebracht. Wie üblich hab ich mich sofort
drangemacht, den Wagen zu durchsuchen. Man weiß ja nie, was man da drin finden
kann, M’sieur! Ich warte schon fünfzehn Jahre darauf, daß ‘n reicher Sack seine
Brieftasche vergißt. 50000 oder ‘ne Million, mir egal. Bis jetzt hatte ich noch
kein Glück... Also, an dem Tag find ich auf dem Rücksitz von Freds Karre

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