Tödliche Pralinen
d’Orléans stieg er in die Metro
seiner Wahl. Ich setzte meinen Weg alleine fort.
Gedankenarbeit
Mit der vergangenen Nacht war ich ganz und gar
nicht zufrieden. Es bestand kein Zweifel mehr, daß René Galzat als Wolf im
Schafspelz nicht zögern würde, mich reinzulegen, ja, daß er schon munter damit
begonnen hatte. Darüber hinaus hatte diese dumme Gans von Catherine Larcher
meinen Plan, eine geprüfte Vamp-Spionin auf den Journalisten anzusetzen,
durchkreuzt. Die Frau besaß Kinoformat und außerdem die von Galzat bevorzugte
Haarfarbe. Der Haken war nur, daß die Haarfarbe auch von mir bevorzugt wurde.
Zumal mich Catherines Schönheit nicht kalt gelassen hatte — trotz ihrer fixen
Idee mit den lahmen Flics und trotz des Schimmelkäses, den sie anstelle des
Hirns im Kopf zu haben schien. Und Galzat hatte sie mir seelenruhig vor der
Nase weggeschnappt! Verdammt und zugenäht, wenn der so weitermachte, würde
nicht nur das Geheimnis, sondern auch Nestor Burma vor ihm in die Knie gehen!
Zu Hause angekommen, rief ich das Bijou Hôtel an. Man teilte mir mit, daß Galzat soeben — alleine! — in sein Zimmer
hinaufgegangen sei. Diese Auskunft heiterte mich wieder ein wenig auf.
Ich zündete mir eine Pfeife an und paffte vor
mich hin. Mir geisterten eine Menge Dinge im Kopf herum. Ich schnappte mir
wieder das Telefon und rief Jules Leblanc an, einen Mitarbeiter, den ich
vorübergehend wegen Budgetknappheit auf Eis gelegt hatte. Wenn er Arbeit suche,
sagte ich zu ihm, solle er sich bei Reboul melden. Ich wolle nämlich die
Beschattungsschlinge noch etwas fester um Galzats Nacken ziehen.
Ich war todmüde. Um den beginnenden Kater zu
verscheuchen, duschte ich ausgiebig. Danach nahm ich den Fall Tanneur wieder in
Angriff. Vielleicht würde mich das über den kläglichen Verlauf der Nacht
hinwegtrösten.
Mit den bekannten Fakten bastelte ich mir eine
Theorie zusammen. Um die Sache zu vereinfachen, tat ich so, als hätte Tanneur
einen triftigen Grund gehabt, seinen Sohn umzubringen.
* * *
In der Nacht vom 17. auf den 18. August stirbt
Jean Tanneur an einer Arsenvergiftung. Das Gift befand sich in Pralinen. Diese
Kugeln — besser gesagt: Reste davon — werden von Madame Tanneur in der
Hosentasche ihres Mannes gefunden. Die Laboruntersuchungen ergeben, daß in der
braunen Masse Arsen enthalten war.
Konnte Tanneur einen Plan ausgeheckt haben, um
seinen Sohn zu vergiften? Die Zeugen — Nachbarn und Hüter der Moral — wiesen
ihn als schlechten Vater aus. Hatte in der Vergangenheit bereits so was wie ein
Attentat auf Jean Tanneur stattgefunden? Darüber schwiegen sich die Zeugen aus.
Am 18. wird Frédéric Tanneur zum ersten Mal von
Inspektor Faroux verhört. Er ist nicht betrunken, obwohl er an diesem Tag nicht
gearbeitet hat. Weigert sich zu sagen, wie und wo er die Stunden verbracht hat.
Bemerkenswert in dem Zusammenhang ist die Aussage des Fuchses, derzufolge
Tanneur die Absicht äußerte, seine Stelle bei der Taxizentrale aufzugeben.
Gekündigt hat er aber nicht. Als er am 17. August um 15 Uhr seinen Wagen auf
dem Firmengelände abgestellt hat, wußte er noch nicht, daß er nicht mehr
dorthin zurückkehren würde. Diesen Entschluß muß er zwischen 15 und 17 Uhr 30,
als er in der Lucius Bar den Fuchs gesehen hat, getroffen haben. Warum?
Tanneur konnte sich das nötige Gift aus dem
Schränkchen im Schuppen C besorgen. Wie jeder andere der dort Beschäftigten.
Beim Verhör behauptet er zunächst, sich an nichts erinnern zu können und
niemals Pralinen bei sich gehabt zu haben. Das wird durch den Fuchs, der
ausnahmsweise mal glaubwürdig ist, widerlegt: Maître Jannet wollte sich das
Schweigen des Polizeispitzels erkaufen, getarnt als Erwerben der „Exlusivrechte“
an dessen Informationen. Dann ändert Tanneur seine Taktik. Erklärt, die Tüte
samt Schokolade in seinem Taxi gefunden zu haben. Dafür gibt es sogar einen
Zeugen: Pradines, sein älterer Kollege aus dem Schuppen C. Am 19. August wird
Pradines nur von einer Person besucht und ausgefragt: von mir. Jannet konnte
ihn also nicht gekauft haben. Pradines war es, der die Tüte gefunden und sie
Tanneur gegeben hat. Dieser hat sie eingesteckt, obwohl Süßigkeiten nicht sein
Fall sind. Pradines ist glaubwürdig. Dennoch kann Tanneur sich die Pralinen im
Laufe des Tages besorgt und sie auf den Rücksitz gelegt haben, um sie von
seinem Kollegen entdecken zu lassen und somit für einen Entlastungszeugen zu sorgen.
Waren die Pralinen bereits
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