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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Chicago.
    „Kann schon sein, daß in New York 97% der Fälle
nicht aufgeklärt werden. Darüber lachen wir! In Chicago sind es hundert
Prozent!“
    Wir lachten mit ihm zusammen über das gelungene
Bonmot. Dann kam die Sprache wieder auf die Pariser Polizei. Ich saß still in
einer Ecke, ziemlich benommen von dem Alkohol, den ich mir zur Brust genommen
hatte, und betrachtete nachdenklich den Stiel meiner Stierkopfpfeife. René
Galzat spielte sich vor Catherine auf, indem er über die „Versager vom Quai des
Orfèvres“ herzog. Das konnte ich ihm wirklich nicht übelnehmen, doch das
Beispiel, das er wählte, war..
    „Korrupt wie in Übersee sind sie vielleicht
nicht“, tönte er, „aber unfähig, und das ist genauso unverzeihlich! Haben
einfach keine Phantasie! Zum Beispiel vorgestern, da wurde in Saint-Ouen ein
kleiner Junge vergiftet. Was macht man? Man denkt nur an das Nächstliegende.
Bloß keine übermäßige Anstrengung! Immer den Weg des geringsten Widerstandes
gehen! Man sperrt also den Vater des Jungen ein, und wenn der Inspektor bis
morgen nicht die nötigen Beweise zusammenhat, muß man ihn wieder laufenlassen.
Ich sage Ihnen, es ist zum Mäusemelken!“
    Recht hatte er, der gute René Galzat! Es war
wirklich zum Mäusemelken. Auch seine folgenden Sätze waren richtig. Klar, er
hatte sie bei mir geklaut! Ganz schön dreist. Schließlich konnte er sich nicht
damit rausreden, daß ich halb eingeschlafen wäre. Erstens wäre das keine
Entschuldigung gewesen, und zweitens war ich hellwach. Unsere Blicke kreuzten
sich, aber das kümmerte ihn nicht die Bohne. Im Gegenteil, er rief mich zum
Zeugen an! Und so sah ich mich gezwungen, meine eigenen Worte zu bestätigen. Am
liebsten hätte ich ihm ein paar hinter die Ohren geknallt. Mal sehen, wie weit
er noch ging...
    „In Saint-Ouen?“ wunderte sich der Dichter von
Montparnasse. „Hab darüber gar nichts in der Zeitung gelesen.“
    „Das ist auch nicht so sensationell, um in die
Schlagzeilen zu kommen.“
    Catherine wollte Einzelheiten wissen. Galzat
lieferte sie ihr. Die junge Frau schwieg eine Weile und sagte dann
nachdenklich:
    „Das erinnert mich an was. Ich habe gehört, daß
man in einigen Läden Bonbons verkauft hat, die bei verschiedenen Leuten
Unwohlsein hervorgerufen haben... Ja, jetzt weiß ich’s wieder... Julien!“
    „Ja“, brummte Théron.
    „Erinnern Sie sich nicht an den Tag, an dem ich
eine Freundin in Enghien besucht habe... und am nächsten Tag war mir so elend!“
    „Ja, doch, ich erinnere mich. Aber was wollen
Sie damit sagen?“
    „Das war vor ungefähr... vier Monaten, nicht
wahr? Ich bin durch Saint-Ouen gefahren, und in einem Laden... Wie hieß er noch
gleich? Na ja, egal... Jedenfalls hab ich da Kuchen gekauft. Und nach einem
Stück wollte ich kein zweites mehr. Hat so merkwürdig geschmeckt... Und am
ganzen nächsten Tag war’s mir hundeelend!“
    „Reiner Zufall“, murmelte jemand.
    „Es ist aber doch seltsam“, bemerkte der
Dichter, „daß Mademoiselle Larcher den Kuchen ausgerechnet in dem Viertel
gekauft hat, in dem der Junge vergiftet wurde.“
    „Tja, Saint-Ouen, Clichy, Saint-Denis...“ Die
Augen der jungen Frau glänzten vor Aufregung. „Da wimmelt es von Arabern,
Italienern, Spaniern... Wenn das nun ein Komplott der Anarchisten war?“
    Ich sah sie mitleidig an. Théron mußte laut
lachen.
    „Lachen Sie nicht, Julien!“ wies Catherine ihn
zurecht. „Es wäre doch denkbar, daß die Lebensmittelhändler des Viertels
gegenüber der französischen Bevölkerung feindliche Gefühle nähren (ein
passendes Wort!) und deshalb ihre Waren vergif-«
    ten...
    „Oh ja, das wäre denkbar“, stimmte ich ironisch
zu, „nur wäre es noch viel denkbarer, daß die entsprechenden Läden schnell
ausfindig gemacht würden.“
    Ich glaubte, ihr damit das dumme Maul gestopft
zu haben. „Aber nicht von der Pariser Polizei!“ gab sie zurück.
    Das saß! Und so ganz unrecht hatte sie nicht.
Einige Mörder liefen nun schon seit sechs Monaten frei herum.
     
    * * *
     
    Es wurde schon so langsam hell, als wir uns
verabschiedeten. Catherine Larcher war mit dem eigenen Wagen gekommen. Sie
bestand darauf, Galzat nach Hause zu bringen. Der Journalist zierte sich nicht
lange und ließ uns auf der Straße stehen.
    „Charmante Person... Hübsches Paar“, brummte
Marc Covet.
    „Ich hatte sowieso die Absicht, zu Fuß zu gehen“,
sagte ich. „Wenn das so ist... Ich schließe mich Ihnen an“, lachte Covet.
    An der Porte

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