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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Mordfall gehört, durch den Kopf. Sofort servierte ich
sie meinem Freund Florimond:
    „Welches Motiv hatte der Mann, um seinen eigenen
Sohn umzubringen?“
    Motiv? Da konnte Inspektor Faroux nur lachen.
Seine Antwort erinnerte mich an die Schriftsteller, von denen ich weiter oben
bereits gesprochen habe: Haß... Familiendrama... das Kind stammte vielleicht
von einem andern... etc. So viele Täter wie Motive gebe es gar nicht,
behauptete er.
    Und er hatte recht. Aber wie gesagt, diese Art
Literatur liegt mir nicht besonders.
     
    * * *
     
    Frédéric Tanneur war sichtlich beeindruckt von
der Tatsache, daß er sich in den Räumen der Kriminalpolizei aufhielt. Er hatte
ein noch jugendliches, stolzes Gesicht, braungebrannt, energisch, mit
intelligenten Augen. Ich wunderte mich im stillen darüber, daß ein Mann, dem
ein übermäßiger Drang zu noch übermäßigerem Alkoholgenuß nachgesagt wurde, um
diese Uhrzeit noch nicht sternhagelvoll war. Vor allem, weil er einen
arbeitsfreien Tag hinter sich hatte.
    „Da ist Ihr Kunde“, sagte ein junger Inspektor,
der uns hergebracht hatte.
    Faroux schnupperte an dem Festgenommenen. „Zahnpasta!“
stellte er enttäuscht fest. „Komischer Säufer... Hat wohl plötzlich seine
Gewohnheit geändert... Wo habt ihr ihn geschnappt?“
    „Im Petit Pot. Wir haben den Tip von der
Taxizentrale gekriegt.“
    „Hat er Widerstand geleistet?“
    „Überhaupt nicht.“
    „Sein Glück!“
    „Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Inspektor“,
sagte Tanneur und stand auf.
    „Sie werden gleich genug damit zu tun haben, auf
meine zu antworten“, knurrte Faroux ihn an. „Bringen sie ihn zu mir rüber, wenn
ich läute“, fügte er, an seinen jungen Kollegen gewandt, hinzu.
    Wir gingen in einen kahlen Raum, in dem als
einzige Dekoration ein Foto des Polizeipräfekten hing. Er nahm gerade einen
Blumenstrauß aus den Händen eines Sportlers entgegen, der ihm außer den Blumen
ein mörderisches Grinsen schenkte.
    „Den werd ich erst mal ‘ne gute halbe Stunde
schmoren lassen“, sagte Faroux, womit er den Taxifahrer meinte. „Sie können ja
inzwischen die Aussagen der Nachbarinnen lesen. Das wird Sie davon überzeugen,
daß der Tod von Jean Tanneur nichts mit dem Ihres Béquet zu tun hat.“
    Er schob mir einen Stoß beschriebener Blätter
über den Schreibtisch zu. Die Klatschgeschichten der Nachbarinnen ließen Frédéric
Tanneur in denkbar ungünstigem Licht erscheinen: streitsüchtig, aufbrausend,
hatte mehr als einmal seiner Frau und seinem Sohn angedroht, sie umzubringen.
Seinen Nachbarn gegenüber benahm er sich arrogant (sagten die Klatschtanten!),
mit allen hatte er sich verzankt, fast alle hatte er in betrunkenem Zustand
tätlich angegriffen. Die Hüterinnen der Moral in diesem Viertel von Saint-Ouen
waren sich einig: Frédéric Tanneur sei genau der Typ Mann, der sein eigenes
Kind umbringt, für das er übrigens nie so was wie Zuneigung verspürt habe...
Kurz gesagt, in den Zeugenaussagen, die ich hier vor mir hatte, zeigte sich
aufs schönste die übliche Bösartigkeit, die die Beziehung von Hausbewohnern
untereinander bestimmt. Nein, dieses rabenschwarze Bild schien mir nicht zu dem
Mann zu passen, den ich soeben im Vorzimmer gesehen hatte!
    Mit der Aussage von Madame Tanneur hatte mich
bereits mein Freund Florimond vertraut gemacht. Die vergifteten Pralinen waren
demnach nicht als Geschenk aus der Tasche des Vaters an den Sohn gewandert,
sondern von ihr in eben dieser Tasche gefunden worden.
    Ich gab dem Inspektor die Schriftstücke zurück,
und er ließ den Mann hereinführen.
    „Sie sind mir eine Erklärung schuldig!“ begann
Tanneur aggressiv. „Was soll das Ganze? Was hab ich hier am Quai des Orfèvres
zu suchen? Normalerweise komme ich mit der Polizei ganz gut aus. Sie haben
einen seltsamen Begriff von der bürgerlichen Freiheit, scheint mir!“
    „Halten Sie wohl die Klappe?!“ fauchte Faroux
zurück. „Setzen Sie sich!“
    Der Inspektor kam hinter seinem Schreibtisch
hervor und baute sich vor Tanneur auf.
    „Nehmen Sie Ihre Mütze ab! Und geraucht wird
hier auch nicht!“
    Mit dem Handrücken schlug er dem Mann die Mütze
vom Kopf und die Zigarette aus dem Mund. Dann steckte er sich selbst eine Gauloise zwischen die Lippen, zündete sie an und setzte sich wieder hinter den
Schreibtisch.
    „Fangen wir endlich an“, sagte er. „Name?“
    „Tanneur. Frédéric Tanneur. Aber..
    Nach der Feststellung der Personalien folgten
ein paar Bemerkungen über seine

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