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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zum
Geschenk zu machen! Ja, Maître Jannet wurde von seinen Mandanten regelrecht
geliebt...
    Je länger er sprach, desto größer wurde mein
Interesse. Frédéric Tanneur war noch nicht offiziell angeklagt, und schon bot
sich der große, geschickte Alibi-Zauberer an, ihn zu verteidigen! Ich konnte
den finanziellen Nutzen nicht erkennen, den er sich davon versprach. Genauso
mußte es dem Inspektor gehen. Seine Augen waren groß wie Lottokugeln.
    „Dann wollen Sie also die Verteidigung dieses
Mannes übernehmen, der noch gar nicht angeklagt ist?“ stieß er mühsam hervor. „Macht
Ihnen vielleicht die Hitze zu sehr zu schaffen?“
    „Ein Anwalt muß auch Witwen und Waisen beistehen“,
erwiderte der Dicke pathetisch, wobei er sich offensichtlich mächtig am Riemen
reißen mußte, um nicht laut loszulachen.
    „Komische Witwe!“ knurrte Faroux nur.
    „Ja, ja, wie das Leben so spielt“, pflichtete
Jannet ihm bei. „Und jetzt, Inspektorchen, spucken Sie mal aus, was Sie bereits
wissen.“
    Er warf mir einen spitzbübischen Blick zu. Ich
warf den Blick zurück. Doch, der Winkeladvokat amüsierte sich prächtig, und ich
mußte zugeben, daß ich ebenfalls meinen Spaß hatte. Nicht grade alltäglich, dem
Anwalt der kriminellen Oberschicht dabei zuzusehen, wie er sich für einen armen
Schlucker stark machte. Ich fragte mich, was wohl dahintersteckte.
     
    * * *
     
    Mit monotoner Stimme faßte der Inspektor die
Fakten zusammen:
    „Gestern hat Jean Tanneur Schokolade gegessen.
Die Schokolade war mit Arsen vergiftet, und Jean Tanneur ist daran gestorben.
Die Schokolade (Schon beim Zuhören konnte einem ganz schlecht werden!) hatte
Frédéric Tanneur, der Vater des Opfers, mitgebracht. Die Zeugenaussagen der
Nachbarn weisen Vater Tanneur als schlechten Vater, schlechten Ehegatten und
schlechten Nachbarn aus. Er führt ein ausschweifendes Leben, verkehrt in
anrüchigen Lokalen. Obwohl er nicht schlecht verdient, lebt seine Familie in
relativ ärmlichen Verhältnissen...“
    Thomas Jannet warf ein, daß der Lohn eines
Taxifahrers nicht grade berauschend sei, und bat seinen Mandanten, die
Einkommensverhältnisse offenzulegen. Die genannte Summe löste eine hitzige
Diskussion zwischen Anwalt und Inspektor aus. Man hätte meinen können, man
befände sich auf einer Gewerkschaftsversammlung, bei der die Frage der Löhne
Tagesordnungspunkt Nr. 1 war. Schließlich warf Faroux dem Anwalt Demagogie vor,
und dieser konterte mit der Bemerkung, er habe keinerlei Ambitionen auf einen
Sitz in der Nationalversammlung. Er wolle lediglich Bedenken gegenüber voreiligen
und absoluten Urteilen aus der Nachbarschaft anmelden.
    Frédéric Tanneur schaute verständnislos von
einem zum andern. Endlich fuhr Faroux fort:
    „Wir beschuldigen Frédéric Tanneur des Mordes an
seinem Sohn. Er leugnet, Pralinen gekauft zu haben. Er leugnet gleichfalls, sie
seinem Sohn gegeben zu haben. Möglicherweise hat er in seinem betrunkenen
Zustand tatsächlich den verbrecherischen Plan vergessen. Aber immerhin hat
Madame Tanneur die vergifteten Pralinen in der Tasche ihres Mannes gefunden.
Nach eigenen Aussagen verabscheut Monsieur Tanneur Süßigkeiten. Jedenfalls hat
sein Sohn diese... Schokolade gegessen und...“
    „Ich wiederhole, daß ich in meinem Leben noch
nie so’n Zeug gekauft habe“, unterbrach Tanneur ihn heftig. „Ich wiederhole,
daß ich nie die Absicht hatte, meinen Sohn umzubringen. Ich bin unschuldig!
Falls meine Frau die Pralinen tatsächlich bei mir gefunden hat, dann wiederhole
ich noch einmal: Ich weiß nicht, wie sie in meine Tasche gelangt sind.“
    „Wirklich nicht?“ fragte Faroux.
    „Ich habe nur eine Erklärung dafür...“
    „Ich auch.“
    „Eine einzige! Ich bin das Opfer irgendeines
Komplotts. Jemand hat meine Trunkenheit ausgenutzt, um mir diese Pralinen in
die Tasche zu stecken.“
    „Meine Erklärung hat den Vorteil, daß sie
wahrscheinlicher ist als Ihre“, bemerkte der Inspektor trocken.
    Ich mußte zugeben, mir gefiel diese Ausrede aus
Verzweiflung ebensowenig.
    „Mein Gott“, murmelte der Taxifahrer und stützte
seinen Kopf in beide Hände. „Furchtbar, wenn man sich an nichts mehr erinnern
kann! Was habe ich gestern nur gemacht? Wenn ich doch genau sagen könnte, wie
ich den Tag verbracht habe! Dann würde man den Schuldigen vielleicht finden...“
    „Sie können eins tun“, meldete sich Jannet, der
seltsam stumm zugehört hatte, zu Wort. „Schreiben Sie die Namen der Bistros
auf, in denen Sie

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