Tödliche Saturnalien
Gesicht strahlte, als er mich eintreten sah. Sein Haar und sein Bart waren ein wenig grauer als beim letzten Mal, als ich ihn in Alexandria getroffen hatte. Er gab einem Sklaven Anweisungen, der ein Liniment in die Schultern eines riesigen Numiders einmassierte. »Welche Freude!« rief Asklepiodes und ergriff meine Hand. »Ich habe in jüngster Zeit gar nichts von irgendwelchen interessanten Morden gehört. Was führt dich so plötzlich nach Rom?«
»Das übliche«, sagte ich. »Es liegt nur schon ein wenig zurück.«
»Du mußt mir alles darüber erzählen.« Er entließ seinen Sklaven und den verwundeten Gladiator. »Verrenkte Schulter«, meinte er. »Ich versuche Statilius schon seit geraumer Zeit zu erklären, daß das Training mit doppelt schweren Schilden zu mehr Verletzungen führt; aber es ist eine traditionelle Methode, und er will nicht auf mich hören.«
Ich nahm an einem großen Fenster Platz. Melodisches Waffengeklirr drang vom Übungsgelände nach oben.
»Ich möchte dich wegen eines der Geheimnisse deiner Zunft konsultieren«, erklärte ich ihm.
»Aber sicher doch. Wie kann ich dir helfen?«
»Was weißt du über Gifte?«
»Genug, um zu wissen, daß mein Eid mir verbietet, sie zu verschreiben.«
»Sophisterei«, gab ich zurück. »Du benutzt sie doch ständig in deinen Medikamenten.«
»Das ist richtig, aber der Grat zwischen therapeutischer und toxischer Wirkung ist sehr schmal. Es gibt viele lindernde Arzneien, die, in großen Mengen verabreicht, tödlich wären. Ein Medikament, das den Herzschlag verlangsamt, kann ihn auch zum Stillstand bringen. Aber ich vermute, daß du dich speziell für die bei Mord bevorzugten Gifte interessierst?«
»Genau. Meine Familie will, daß ich den Tod des Metellus Celer untersuche.«
»Das dachte ich mir schon«, meinte er. »Wie jeder in der Stadt habe auch ich die Gerüchte gehört. Ein bedeutender Mann, verheiratet mit einer berüchtigten Frau, ein plötzlicher, unerwarteter Tod, ergo eine Vergiftung.«
»Ich soll ein wenig herumschnüffeln«, sagte ich. »Fragen stellen. Aber wonach soll ich suchen?«
Asklepiodes setzte sich und überlegte. »Zunächst mußt du die Symptome in Erfahrung bringen«, sagte er schließlich. »Hatte er Krämpfe? Oder Schaum vor dem Mund? Hat er über Magenschmerzen oder eine Erkältung geklagt? Hatte er Auswurf von unüblicher Substanz oder Farbe? Hatte er blutigen Stuhlgang?«
»Das klingt nicht allzu kompliziert«, fand ich.
»Das ist aber vielleicht auch das einzig Leichte«, warnte er mich. »Du mußt dir darüber im Klaren sein, daß man es bei Vergiftungen mehr mit Aberglauben als mit Wissen zu tun hat.«
»Ich weiß«, räumte ich ein. »Bei uns bringt man das Thema nicht mit Ärzten oder Apothekern, sondern mit Hexen in Verbindung.«
»So ist es. Es gibt nur wenige Gifte, die blitzschnell oder in winzigen Dosen tödlich wirken, und nur wenige bleiben unentdeckt«, dozierte er. »Manchmal werden sie jedoch in winzigen Dosen über einen langen Zeitraum verabreicht, so daß die Wirkung kumulativ ist und es den Anschein hat, als sei das Opfer an einer längeren Krankheit gestorben.«
»Du meinst, eine Vergiftung ist eine Sache für Experten?«
Er nickte. »Oder für einen Mörder, der sich von einem Experten beraten läßt. Es gibt immer Fachleute auf dem Gebiet, und sie verfügen in der Regel auch über praktische Erfahrung. Viele Menschen wenden sich zum Beispiel wegen eines geplanten Selbstmordes an eine Giftmischerin. Für diejenigen, die den Eid meiner Zunft nicht abgelegt haben, ist es ein halblegales Nebengeschäft. Denn Selbstmord ist weder von den Göttern noch durch staatliche Autoritäten verboten.«
»Wie gehen Giftmörder nach deinen Erfahrungen gewöhnlich vor?« fragte ich ihn.
»Die verbreitetste Methode, die du ja auch persönlich kennst, seit man sie erfolglos an dir ausprobiert hat, ist die orale Verabreichung, in aller Regel unter Zuhilfenahme von Speisen oder Getränken, obwohl es auch schon Fälle gegeben hat, in denen das Gift als Medizin getarnt wurde. Das Problem bei dieser Vorgehensweise ist eben, daß die meisten Gifte einen strengen, unangenehmen Geschmack haben.«
»Da wäre eine Tarnung als Heilmittel genau das richtige«, bemerkte ich. »Die meisten Medikamente schmecken gräßlich.«
»So ist es. Die meisten Gifte gibt es als Flüssigkeit oder Puder. Man kann sie in ein Getränk rühren oder über das Essen streuen. Es gibt auch Gifte in Form von Gummi oder Pasten, und einige
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