Tödliche Saturnalien
wenige bilden bei Verbrennung giftige Dämpfe.«
»Was du nicht sagst«, staunte ich. »Davon habe ich noch nie gehört. Ich weiß, daß die Dämpfe von Opium oder Hanf berauschend sind, aber daß es auch tödliche Dämpfe gibt, ist mir neu.«
»Die Vergiftung durch Inhalation ist vielleicht die seltenste Methode und meistens nicht auf Vorsatz, sondern auf einen Unfall zurückzuführen. Handwerker, die mit Quecksilber arbeiten, vor allem wenn es zur Trennung von Gold aus Erzen benutzt wird, atmen gelegentlich solche giftigen Dämpfe ein. Es gibt auch Orte, an denen diese Dämpfe in der Natur auftreten, zum Beispiel in der Nähe von Vulkanen oder in bestimmten Sümpfen, die für dieses Phänomen berüchtigt sind.«
»Als Methode für einen Mord also reichlich unwahrscheinlich?«
»Es wäre zumindest sehr schwierig«, bestätigte Asklepiodes. »Man kann Gifte auch rektal verabreichen. Das stellt den Täter zwar vor gewisse Schwierigkeiten, aber dank ihrer sexuellen Vorlieben gewähren manche Menschen ihrem Intimpartner Zugang zu diesem Bereich. Dabei können die Gifte die gleichen sein wie die oral eingenommenen, die Dosis muß nur etwas kraftvoller verabreicht werden.«
»Klingt logisch.« Und Clodia war alles zuzutrauen.
»Gifte können natürlich auch durch offene Wunden in den Körper eindringen«, fuhr Asklepiodes fort. »Vergiftete Dolche und andere Waffen sind nicht ungebräuchlich. Genaugenommen leitet sich das griechische Wort für Gift, Toxon, von einem Wort ab, das so viel bedeutet wie ›von dem Bogen‹, wegen der früher verbreiteten Praxis, Pfeile in Gift zu tunken. Wobei man jedoch einräumen muß, daß Soldaten häufig glauben, sie seien mit Pfeilen vergiftet worden, während sich in Wirklichkeit nur ihre Wunden entzündet haben.«
»Soldaten sind ein leichtgläubiger Haufen«, sagte ich.
»Durch die Haut kann man ebenfalls Gift aufnehmen«, belehrte er mich weiter. »Ein giftiger Zusatz zu einem Bade- oder Massageöl wäre eine besonders subtile Methode. Und es gibt Kapazitäten, die glauben, daß jene unglückseligen Arbeiter mit der Quecksilbervergiftung nicht nur tödliche Dämpfe eingeatmet, sondern das Gift auch durch die Haut aufgenommen haben.«
»Ein gefahrvolles Gewerbe«, bemerkte ich.
»Genau wie deins.« Er strich über seinen sauber gestutzten Bart. »Was man bei Giften natürlich auch nicht außer acht lassen darf, ist die Möglichkeit tierischer Übertragung.«
»Wohl nicht«, stimmte ich ihm zu. »Was meinst du damit?«
»Die giftige Schlange, die man gelegentlich im Bett eines bedauernswerten Opfers gefunden hat, ist vielleicht nicht immer zufällig dorthin gekrochen. Und es gibt Menschen, die besonders empfindlich auf Bienen- oder Wespenstiche reagieren. Ein Hornissennest durch das Fenster einer solchen Person geworfen, ist eine überaus wirksame Methode, einen unliebsamen Zeitgenossen zu beseitigen. Und man sagt, mindestens ein Pharao sei daran gestorben, daß ein Rivale einen Skorpion im königlichen Nachttopf ausgesetzt hatte.«
Die Vorstellung ließ mich zusammenzucken. »Es gibt weit mehr Methoden, einen Menschen zu vergiften, als ich mir je hätte träumen lassen.«
»Es gibt nur wenige Bereiche, in denen so viel Genialität verschwendet wurde wie beim Morden«, bemerkte er trocken. »Dieser Fall sollte dir eine besondere Herausforderung sein.«
»Ich muß gestehen, alter Freund, daß ich eine Ermittlung zum ersten Mal mit einem Gefühl drohender Aussichtslosigkeit beginne«, erwiderte ich. »Wenn die Frau auch nur ein kleines bißchen überlegt vorgegangen ist, wird ein Mord praktisch nicht nachzuweisen sein. Und ich weiß, daß Clodia, wenn es um Mord geht, mehr als überlegt handelt.«
»Eine veritable Medea. Wie ich höre, verdächtigt man sie jetzt des Inzests mit ihrem Bruder. Und zu alledem ist sie auch noch eine große Schönheit. Ein geeignetes Thema für Poeten und Tragödien.« Als Grieche wußte er solche Dinge zu schätzen.
»Das hat Catull doch auch mal geglaubt«, sagte ich. »Ich habe gehört, daß er seine Leidenschaft endlich überwunden und jetzt irgendein anderes maliziöses Flittchen gefunden hat, dem er hinterherlaufen kann wie ein Hündchen.«
»Du denkst noch immer an einen Jungen mit großen Augen, der nach Rom gekommen und von Clodias Reizen hingerissen ist. Denen gegenüber du selbst auch nicht völlig immun warst, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Asklepiodes. »Aber er ist deutlich gereift und distinguiert geworden.«
Die
Weitere Kostenlose Bücher