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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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Naturgewalten. Man verehrte sie auf den Feldern, in den Wäldern und anderen Naturheiligtümern. Aber es ist schwer, sich gestaltlose Götter vorzustellen. Und als wir die Figuren sahen, die die Griechen geschaffen haben, um ihre Götter zu versinnbildlichen, haben wir sie übernommen.«
    »Aber können wir mit unseren Ritualen, Zeremonien und Opfern wirklich Einfluß auf die Götter ausüben?«
    »Wir beeinflussen uns selbst«, erwiderte Cicero. »Indem wir diese übersinnlichen Mächte anerkennen, erkennen wir auch unsere eigene bescheidene Stellung in der Welt. Unsere Rituale stärken die Ordnung der Gesellschaft, von den alltäglichen Riten, die ein Haushaltsvorstand vollzieht, bis zu den großen Staatszeremonien. Ein Opfer basiert, und das begreift jeder, auf dem Prinzip des Tauschens. Man gibt etwas Wertvolles, um etwas anderes zu bekommen. Für das Volk ist ein Opfer genau das – der Austausch materieller Objekte für weniger materielle, aber nichtsdestoweniger spürbare Wohltaten der Götter. Gebildete Menschen begreifen Opfer als symbolische Handlung, die die Einheit unseres sterblichen Ichs mit den höheren Mächten fördert, deren Überlegenheit wir anerkennen.«
    »Und Menschenopfer?« fragte ich.
    Er warf mir einen durchdringenden, halb verzweifelten Blick zu. »Decius, du hast eben eine Ermittlung erwähnt? Darf ich fragen, worauf das Ganze hinausläuft?«
    »Bitte, habe Geduld mit mir, Marcus Tullius. Ich würde deine Ansichten zu diesen Fragen gerne hören, bevor ich auf Einzelheiten zu sprechen komme. Hinterher werde ich dir alles erklären. Das heißt, soweit ich das kann.«
    »Wie du willst«, meinte er. »Die meisten Völker haben Menschenopfer praktiziert, auch die Römer, jedoch immer nur als extremste Form des Opfers. Einige Gesellschaften sind besonders berüchtigt dafür, vor allem die Karthager. Wir haben diese Praxis schon lange verboten, nicht nur in Rom selbst, sondern auch überall dort, wo römisches Recht gilt. Wäre ich ein Zyniker, würde ich sagen, das liegt daran, daß es wenig gibt, was wir so geringschätzen wie ein Menschenleben, so daß wir uns nicht vorstellen können, daß die Götter ein derart wertloses Opfer haben wollen.
    In Wahrheit jedoch liegt die Sache ein wenig anders. Jeder glaubt zumindest vage an eine Lebenskraft, die in jedem von uns schlummert, und indem man diese Kraft opfert, hofft man, die Götter milde zu stimmen. Es muß jedoch zur rechten Zeit am rechten Ort und mit dem richtigen Ritual geschehen. Aber warum fragst du nach Menschenopfern, Decius?«
    Ich atmete tief ein. »Weil ich gestern nacht eines beobachtet habe.«
    Er sah mich fest an. »Ich verstehe. Bitte sprich weiter.«
    »Der Grund für meine Anwesenheit in Rom ist ein Befehl meiner Familie. Sie hat mich zurückgerufen, um den Tod von Metellus Celer zu untersuchen. Du weißt sicher, daß viele Leute glauben, Clodia hätte ihn vergiftet.«
    »Natürlich, aber das ist bloß Klatsch.« Er sah mich scharf an. »Zumindest war es das bisher. Was hast du herausgefunden?«
    Das war eine knifflige Frage. Es gab Gerüchte, und ich hatte Grund zu der Annahme, daß sie wahr sein könnten, Cicero hätte einmal etwas mit Clodia gehabt. Vielleicht hatte er noch immer etwas mit ihr, was sich als durchaus delikat erweisen könnte. Ansonsten durfte er sich lediglich zu der großen römischen Bruderschaft der Männer zählen, die von Clodia benutzt und dann beiseite geworfen wurden. Letzteres schien mir wahrscheinlicher, weil Clodia sich ausschließlich für Männer interessierte, die mächtig waren oder es werden könnten, und Ciceros politischer Stern war damals im Sinken begriffen. Wirklich loyal war sie ohnehin nur ihrem Bruder gegenüber. Das alles mußte jedoch keineswegs heißen, daß Cicero nicht noch immer für sie entflammt war.
    »Die erste Frage, die sich mir stellte, war: Wurde Celer überhaupt vergiftet?« begann ich. »Ich habe mich mit Asklepiodes beraten, der mir erklärt hat, daß es beim Fehlen der klassischen Symptome bekannter Gifte fast unmöglich ist, zu einer abschließenden Analyse zu kommen.«
    »Durchaus logisch«, stimmte Cicero mir zu.
    »Die wahrscheinlichste Quelle für Gift sind die Kräuterfrauen, die draußen beim Circus Flaminius einen schwunghaften medizinischen und prophetischen Handel betreiben, seit die Aedilen sie aus der Stadt vertrieben haben.«
    »Eine alte italische Tradition«, sagte er trocken. »Die Staatskulte sind nicht in der Lage, die primitiven Bedürfnisse der

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