Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Traber
Vom Netzwerk:
Dreitausender der
Dolomiten, könnten sie trotz schlechtem Wetter wagen. Auf der Passhöhe des Pordoijochs
stiegen sie aus, banden die Schuhe fester, nahmen vorsichtshalber ihre Pickel mit
und fuhren mit der Seilbahn den senkrechten Wänden entlang auf den Pordoi. Dort
begann der Aufstieg. Eva konzentrierte sich nur noch auf die Fußtritte im Schnee
und den Rhythmus des Atmens. Alex zeigte auf die Sellatürme und die Langkofel-Gruppe;
die andern Gipfel waren wolkenverhangen, auch die Marmolata sah man nicht.
    Auf dem
Grat heulte der Wind mit voller Stärke und wehte beißende Kälte in ihre von der
Anstrengung rot angelaufenen Gesichter. Kurze Zeit später standen sie auf dem Gipfel.
Alex machte einen Schnappschuss zur Erinnerung an die erste Tour zu zweit, und sie
stiegen auf der andern Seite sofort ab. Außer ihnen schien kein Mensch unterwegs
zu sein.
    Eva war
etwas übermütig geworden. Ihr erster Dreitausender – gar nicht so schwierig, wie
sie befürchtet hatte! Alex bezeichnete die Tour allerdings ziemlich abfällig als
»Spaziergang, den man sonntags unternimmt, wenn einem gerade nichts Besseres einfällt«,
aber das tat ihrer Freude kaum Abbruch.
     
    War das wirklich die erste Bergbesteigung
mit Alex? fragte sich Eva. Nicht ganz.
    In Rom,
als sie sich das zweite Mal trafen, holte er sie im Hotel ab und zeigte ihr die
»Ewige Stadt«. Abends fuhren sie mit seinem Auto über die Via Appia Antica, die
berühmte alte römische Straße, die aus Rom nach Brindisi hinausführt. Alte Mauern,
Grabsteine, Ruinen, Säulen, Katakomben, Zypressen und Pinien, wie schon zu Goethes
Zeiten. Sie hielten irgendwo an, stiegen aus, und Alex zeigte auf einen sanften,
kleinen Hügel. Von dort hätten sie eine einmalige Sicht auf das nächtliche Rom,
erklärte er, das müsse er ihr zeigen.
    Die Situation
war typisch für Alex, nur realisierte sie dies damals nicht. Sie trug elegante schwarze
Lackschuhe mit hohen Absätzen und ein leichtes Sommerkleid. Trotzdem stieg sie ohne
zu zögern mit Alex auf den Hügel, rutschte aber in ihren hochhackigen Pumps immer
wieder aus. Sie zerriss ihre Nylonstrümpfe und kam sich lächerlich vor in ihrem
unpassenden Kleid.
    Das nächtliche
Lichtermeer von Rom, ein überwältigender Anblick, lag zu ihren Füßen, als sie sich,
endlich oben angekommen, küssten. Innig, leidenschaftlich, zärtlich? An den Kuss
konnte sie sich später nicht mehr erinnern.
    Noch gab
Alex sich große Mühe und spielte seinen Charme aus, er musste und wollte seine Eva
erobern, und sie spielte vorerst die Zweifelnde, Abwartende, nahm seine Versprechungen
und Liebesbeteuerungen nicht ernst, sondern lächelte über seinen Eifer.
     
    Als Eva zehn Jahre später mit Marianne,
einer Arbeitskollegin, auf einer Reise nach Südtirol durch Völs fuhr, hatte sich
dort vieles verändert. Neue Chalets, neue Hotels. Es gab weit mehr Tourismus und
Verkehr als zuvor. Auch die enge, kurvenreiche Straße vom Eisacktal hinauf war längst
ausgebaut worden. Es ging bereits gegen Ende September. Jetzt hatten die älteren
Semester die Gegend erobert. Kein Parkplatz war frei – und auch kein Pensions- oder
Hotelzimmer aufzutreiben. Alles besetzt, hieß es immer. Dabei hatten sie sich ausgemalt,
hier einige ruhige Ferientage zu verbringen.
    »Ich ertrage
diese Massen von Touristen nicht«, sagte Marianne enttäuscht. »Das ist kaum besser
als im Berner Oberland. Wir hätten im Voraus buchen sollen.«
    Sie fuhren
weiter nach Seis und fanden nach langem Suchen ein Zimmer in einem kleinen Hotel.
Vor dem Abendessen spazierten sie ins Dorf hinunter, auf den Hauptplatz.
    »Hier, vor
dem Hotel Europa, haben wir fast jeden Morgen gefrühstückt und Zeitung gelesen.
Und natürlich auch die Klettertouren geplant.«
    Eva war
alles vertraut: Die kleine Kirche. Die mächtigen Wände des Schlern unter dem tiefblauen
Himmel. Die Wärme der Abendsonne und auf einmal das Alpenglühen.
    »Dort oben
befindet sich der Rosengarten mit König Laurin und der Kristallburg voller Schätze,
die die Gnomen gespendet haben«, erklärte sie Marianne.
    »Warst du
einmal auf dem Schlern?«
    »Nein, das
wäre Alex zu anspruchslos gewesen, der Schlern ist kein Dreitausender und vor allem
wegen der Seiser Alm, der größten Alm Europas, bekannt. Wanderungen langweilten
ihn. Er brauchte immer eine Herausforderung.«
    Das Alpenglühen
erlosch so rasch, dass Marianne das Fotografieren verpasste. Es wurde schnell kühl,
und sie kehrten ins Hotel zurück und bestellten eine Flasche

Weitere Kostenlose Bücher