Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Natillons rutscht er auf dem Schnee aus und
stürzt in eine Gletscherspalte.
Zian wird
vermisst und gesucht. Erst nach sechs Tagen wird er von seinen Kollegen gefunden.
Er lebt erstaunlicherweise noch, aber er ist beinahe steif vor Kälte, deliriert
und hält Nanette, eine Einheimische, welche die Männer bei der Suche nach dem Vermissten
begleitet hat, für Brigitte. Seine Frau sei zu ihm zurückgekehrt, nun sei alles
gut, glaubt er. Auf dem Transport nach Chamonix stirbt er.
Inzwischen
durchschaut Brigitte in Paris endlich, dass ihre Eltern die ganze Zeit versucht
haben, ihre Zuneigung zu Zian, dem in ihren Augen ungebildeten, armen Bauern, den
sie ihrer Tochter nicht würdig finden, zu zerstören, ihn ihr durch die Distanz zu
entfremden. Sie hat auf einmal Sehnsucht nach ihrem Mann und will zu ihm zurückkehren.
Ihr Platz sei an seiner Seite, schreibt sie ihm. – Wenige Tage später erhält Brigitte
in Paris ein Telegramm mit der Nachricht von Zians Tod. Die Berge haben ihr den
geliebten Mann genommen, und sie fühlt sich mitschuldig an seinem Tod, sie hat ihn
im Stich gelassen.
Beerdigung
auf dem kleinen Friedhof in Chamonix. Die Kollegen von Zian, die ihm die letzte
Ehre erweisen, stehen am Grab Spalier. Brigitte, der Fremden, die man im Dorf nie
wirklich akzeptiert hat und nie als Einheimische in die Gemeinschaft aufnehmen wird,
drückt man stumm die Hand.
In einem
Film würde man an dieser Stelle auf die Berge zoomen, auf den Mont Blanc. Glitzernder
Schnee und Eis, tiefblauer Himmel. Rückblende auf die erste Hochtour mit Zian. Wird
Brigitte, die junge, trauernde Witwe, je wieder einen Berg besteigen oder wird sie
vor den Viertausendern in die Großstadt flüchten und versuchen, dort ein neues Leben
aufzubauen?
Eva vergaß alles um sich bei der
Lektüre des Romans von Frison-Roche. Erst viel später erfuhr sie mehr über den aus
Paris gebürtigen Autor, der als Gymnasiast die Berge und den Alpinismus entdeckte
und sich deshalb mit 17 Jahren in Chamonix niederließ, wo er später als erster Nicht-Einheimischer
in die Compagnie des guides (Verein der Bergführer) aufgenommen wurde. Er unternahm
ab 1935 Expeditionen in die afrikanische Wüste, ins algerische Hoggar-Gebirge. Während
des Zweiten Weltkrieges engagierte er sich als Kriegsberichterstatter in Afrika
für die Alliierten, geriet 1943 in Gefangenschaft und wurde zum Tod verurteilt.
Er konnte jedoch aus dem Gefängnis in Vichy flüchten und kehrte nach Chamonix zurück.
Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt, und er unternahm weitere abenteuerliche
Expeditionen in die Sahara, nach Lappland, Kanada und in die USA. Er starb 1999
im Alter von 93 Jahren in Chamonix.
3
Vermutlich würde man heute
»Schicksal Berg« als kitschigen Heimatroman bezeichnen. Wie jene, die Maria Grengg
schrieb. Ihren Namen entdeckte Eva in Österreich, am Ortsende von Stein, wo früher
eine Holzbrücke über die Donau führte, auf einer Gedenktafel an einem renovierten
Haus, in dem nun ein Arzt wohnte und praktizierte. Wenig später entdeckte sie in
Stein sogar eine Maria-Grengg-Gasse hinter dem Friedhof.
Beim hinteren
Eingang des Friedhofs gab es auch eine Schutzengelgasse. Brauchten die Toten noch
einen Schutzengel? Eher wohl Maria Grengg, die 1938 der NSDAP beitrat und, als es
brenzlig wurde, sich auf das »ungefährliche« Malen und Verfassen von Kinderbüchern
und Blumenmotiven beschränkte und sich ein eigenes Gärtchen einrichtete, in dem
sich angenehm leben ließ. Als erste Frau erhielt sie 1937 den Großen Österreichischen
Staatspreis für Literatur, eine aus heutiger Sicht äußerst zwiespältige Sache. Weitere
Preise folgten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren für ihre »großen Heimatromane«.
Sylvia Treudl,
gebürtige Kremserin, schrieb über diese in Österreich mit Ehren überhäufte Dichterin
und Malerin einen kritischen Essay. Grengg, die dem Nationalsozialismus nahe stand,
verfasste »herzstarke« Blut-und-Boden-Literatur wie den Mutterkreuz-Roman »Die Kindlmutter«,
der 1938 erschien und hoch gelobt wurde.
Erstaunlicherweise
standen Heimatromane in der verstaubt wirkenden Stadtbücherei in Krems an erster
Stelle auf der Liste der angebotenen Literatur – und ganz vorne in den Büchergestellen.
Noch vor den Gruselromanen. Gelesen wurden sie offensichtlich nach wie vor von vielen!
Als Erwachsene wünschte sich Eva
nicht mehr, klettern zu gehen, einen Drei- oder Viertausender zu besteigen oder
eine Gletscherüberquerung zu
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