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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Traber
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umsetzte, wussten ihre Eltern, das war ebenfalls nicht neu.
So schienen sie perfekt zusammenzupassen, Alex und sie.
    Abends saßen
sie alle in Kastelruth im »Wolf« beim Nachtessen. Alex war wie immer voller Pläne,
und er schilderte lebhaft die große und die kleine Dolomitenfahrt (mit dem Auto),
die Evas Eltern auf keinen Fall verpassen dürften. Er versprach, sie auf die nächste
Bergtour mitzunehmen, jedenfalls ein Stück weit. Seine Begeisterung wirkte ansteckend,
und er zeigte sich einmal mehr von seiner liebenswürdigsten Seite.
    Eva wunderte
sich, wie schnell er plötzlich guter Laune war, nur so sprühte vor Unternehmungsgeist
und Charme und sich in der Bewunderung der zukünftigen Schwiegereltern sonnte. War
das noch derselbe Mensch, der seit Tagen kein liebes Wort mehr zu ihr gesagt hatte?
Oder erwartete sie zu viel von ihm?

4
     
    Als Geologe und Hydrologe hatte
Alex so etwas wie einen »Röntgenblick« durch Gestein. Dass er von Gestein und Wasser
fasziniert war, konnte Eva gut nachvollziehen. Obwohl sie sich bemühte, gelang es
ihr nie ganz, eine Landschaft vor allem mit »geologischen Augen« zu betrachten,
sie zu sezieren und in Gedanken Querschnitte zu machen.
    Alex erklärte
ihr, wie vor etwa 250 Millionen Jahren im alpinen Trias-Meer Kalkablagerungen wuchsen
und zu versteinerten Korallenriffen wurden. Über Jahrmillionen hinweg wölbten sich
die Alpen; die Meeresgründe wurden hinaufgehoben und durch Formung, Faltung und
Zerstörung umgebildet in die verschiedenen Gesteinsarten: Hauptdolomit, Dachstein-Kalk,
Schlern-Dolomit, Marmolata-Kalk. Der Name der Dolomiten wie auch des Dolomitgesteins
gehe auf den französischen Geologen Déodat de Dolomieu (1750 – 1801) zurück,
der das charakteristische Gestein, das vorher »Monti pallidi« – bleiche Berge –
hieß, als Erster beschrieb: ein Mineral, ein Calcium-Magnesium-Carbonat, das in
den weißlich-grauen Kalksedimenten des Dolomiten-Gebirges enthalten sei.
    Als Eva
dann Jahrzehnte später in Stein war, dachte sie über diesen Namen nach. Eine Stadt
heißt nicht zufällig so, weder Stein an der Donau noch Stein am Rhein. Die Spuren
erster Besiedlung in Stein/Krems stammten aus der Altsteinzeit. Stein in Stein:
alte Mauern, Tore, Höfe, Kapellen, Kirchen, Salzstadel, Häuser, Bauten aus der Spätgotik,
der Renaissance … Sie mochte es, über das unregelmäßige Kopfsteinpflaster durch
die Gassen zu gehen. Die Pflastermeister setzten schon im Mittelalter Schotter aus
der Donau ein, der bei Niedrigwasser aus dem Fluss geholt wurde. Jeder Stein ein
Einzelstück, vom Wasser geschliffen.
     
    Die Wände des Schlern glühten in
der untergehenden Sonne. Auf dieser Felsenhochebene, einst einem prähistorischen
Kultort, versammelten sich Hexen, glaubte man im Mittelalter. In Völs drang von
der Sägerei das Surren der Fräsen ins Haus herüber, wo Alex und Eva immer noch ein
Zimmer bewohnten. Im Korridor spielten die Kinder, bevor sie schlafen gehen mussten.
Auch Greti war dabei, Evas Liebling, ein kleines Mädchen mit barockengelhaftem Gesicht,
blonden Locken und einem meist verschmierten Mund. Der Baumeister und seine Frau
waren in der Wohnküche beim späten Abendessen.
    Eva nahm
eine Dusche. Als sie ins Zimmer zurückkam, lag Alex auf dem Bett, mit geschlossenen
Augen, und er sah so erschöpft und deprimiert aus, dass sie erschrak.
    »Alex, ist
dir nicht gut? Was hast du?«
    »Ich hätte
nicht sofort in die Ferien verreisen sollen«, sagte er mit einem bitteren Unterton,
»ich bin jetzt unerträglich, ich weiß, launisch und nervös, ich kann den Urlaub
hier oben nicht richtig genießen. Es gibt ständig Ärger und Probleme und Kosten,
mit denen ich nicht gerechnet habe. Mein Arzt in Rom hat mich gewarnt, meine Leber
sei angegriffen. Das Klima in Saudi-Arabien ist schuld. Ich bin nur noch ein Weichling,
habe kaum mehr die Kraft, auf die Berge zu steigen – und dabei ist dies das Einzige,
was mir Freude macht.«
    Das Einzige,
was ihm Freude bereitet? überlegte sie, überrascht und etwas enttäuscht, dass sie
ihm nicht wichtiger zu sein schien, aber sie redete ihm einfühlsam wie immer zu
– genau wie das ihre Mutter stets mit ihrem Vater zu tun pflegte, nur war ihr das
im Moment nicht bewusst: »Du musst dich mehr schonen. Deine Gesundheit sollte an
erster Stelle stehen, alles andere ist weniger wichtig. Du mutest dir zu viel zu.
Kein Wunder, dass du erschöpft bist.«
    »Ich glaube,
oben in der Hütte würde ich mich viel besser fühlen«, meinte

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