Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
und sogar nach Nordafrika. Erst nach etwa einem Dutzend Jahren kehrte er
in die Heimat zurück, hatte jedoch nach wie vor kein Sitzleder, und es eilte ihm
nicht mit Heiraten.
Am Anfang
eines seiner berühmtesten Lieder (Kl 18), in dem er mit Sarkasmus Rechenschaft über
sein bisheriges Leben ablegt, steht:
Ich han
gelebt wol 40 jar leicht mynner zway
mit toben
wüten tichten singen mangerlay
es wer wol
zeit das ich meins aigen kindes geschray
elichen
hort jn ainer wigen gellen
So kann
ich der vergessen nymmer ewiklich
Die mir
hat geben mut uff diesem ertereich
Jn aller
werlt kund ich nicht finden jren gleich
Auch fürcht
ich ser elicher weibe bellen …« [1]
Kannte Alex diesen Liedtext des
38-jährigen Ritters?
Oswald von
Wolkenstein heiratete dann doch noch. Er hielt im Alter von etwa 40 Jahren um die
Hand Margarethes von Schwangau an, die 16 Jahre jünger war als er und aus einer
schwäbischen Adelsfamilie stammte. Die Ehe dauerte über 30 Jahre, und er schrieb
für seine Frau zahlreiche Lieder.
Wieder einmal besichtigte Alex ein
Grundstück, für dessen Kauf er sich interessierte, diesmal eines in Wolkenstein.
In Begleitung von Eva, seinem Freund Francesco und dessen Frau Graziella.
Es regnete
in Strömen. Während die Männer mit dem Immobilienhändler verhandelten, warteten
Graziella und Eva im Auto.
Die Italienerin
kam auf Alex zu sprechen. Sie versuchte behutsam, Eva zu warnen – so viel Italienisch
verstand diese.
Sie kenne
ihn seit ihrer Kindheit, sagte sie, er sei ein lieber, treuer Freund, aber oft auch
ein unmöglicher, schwieriger, ja gehetzter Mensch.
»Verzeih,
wenn ich so offen bin, ich will dich nicht verletzen. Glaubst du wirklich, dass
du mit ihm jemals eine normale Ehe führen könntest? Natürlich ist dieser erste Sommer
mit ihm aufregend. Mit den Jahren wird es immer mühsamer werden, in Hütten ohne
Wasser und Küche zu leben, herumzuzigeunern, nirgends ein festes Zuhause zu haben.
Alex täuscht sich selber, solche Aktionen wie heute mit seinem angeblichen Interesse
an einem Grundstück sind nur Zeitverschwendung oder eher Beschäftigungstherapie,
wenn das Wetter für eine Tour zu schlecht ist. Vermutlich möchtest du eines Tages
Kinder haben. Stell dir das vor mit einem solch unsteten Abenteurer und halben Zigeuner!
Einer Frau darf man ein solches Leben nicht zumuten, ich finde es verantwortungslos.
Alex wird sich kaum je ändern, das ist dir doch klar? Er ist leider ein Egoist,
jedenfalls ein Einzelgänger, wahrscheinlich zu früh selbstständig geworden, er kann
nicht auf Menschen eingehen. Auch nicht auf dich, selbst wenn er sagt, er liebe
dich und du seiest seine Traumfrau. Schon manches Mädchen hier aus der Gegend hat
um ihn geweint, du hast das sicher bemerkt. Ich kenne ihn lange genug und habe mir
vorgenommen, mit dir offen über ihn zu reden – von Frau zu Frau. Francesco ist zum
Glück anders, selbst er hat ab und zu Mühe mit Alex und findet ihn dann unmöglich
und weltfremd.«
Graziella
hatte zum Teil recht, das musste Eva sich eingestehen. Es war kein Kinderspiel,
mit Alex auszukommen. Sie fand die Warnung und Ratschläge der Italienerin rührend,
nahm sie jedoch nicht wirklich ernst. Sie traute sich zu, Schwierigkeiten auf sich
zu nehmen und Probleme zu lösen – weil sie ihn liebte samt seinen Fehlern. Alex
reizten schwierige Klettertouren, Eva vielleicht schwierige Beziehungen.
Eine Kleinigkeit genügte, dass Alex
schlecht gelaunt oder unansprechbar wurde. Eva verdrängte kleine Szenen wie diese:
An einem
Tag wie jedem anderen, auf einer kurzen Klettertour, schien er anders als sonst
zu sein, nervös, schlecht gelaunt. Er sagte wieder einmal kaum ein Wort zu ihr,
und sie fand nicht heraus, was ihn verstimmte.
Erst am
Abend rückte er plötzlich mit dem Vorwurf heraus:
»Die grüne
Windjacke steht dir nicht.«
»Warum?«,
fragte sie erstaunt. »Sie schützt gegen Wind und Regen und ist warm und bequem.«
»Ja, schon.
Nur, ich mag dieses stumpfe Grün nicht. Wenn du die Jacke trägst, sind deine blauen
Augen plötzlich fast grün«, erwiderte er heftig.
»Warum hast
du den ganzen Tag lang kein Wort gesagt? Ich hätte etwas anderes anziehen können.«
Von da an
trug sie die grüne Windjacke nie mehr. Das Problem schien gelöst.
Wenn es
immer so einfach gewesen wäre!
Es gab Tage, an denen Eva sich eher
melancholisch oder niedergeschlagen fühlte. Manchmal sehnte sie die erste Zeit herbei,
in der sie sich Alex nahe gefühlt hatte
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