Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
auf der Terrasse des Hotels zurück, wie eine
alte Frau. Die Freude am Ausflug war ihr gründlich verdorben. Sie merkte nur zu
gut, dass das frühere Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Ada und Alex neu auflebte.
Ada hatte sie noch nie so aufgekratzt und mit solch glücklichen, übermütigen Augen
gesehen.
Nach dem
Mittagessen, das wie meist bei den Italienern sehr lange dauerte, versuchte sie,
ein Set Skier samt Zubehör zu mieten, aber ihr passten weder die Schuhe, die alle
zu groß, noch die Bretter, die zu lang waren, und sie musste einsehen, dass es mit
dieser mangelhaften Ausrüstung unmöglich war, eine Abfahrt zu wagen. Man hatte vereinbart,
sich gegen Abend bei der Mittelstation der Seilbahn zu treffen. Evas Unmut wuchs
von Stunde zu Stunde. Ausgerechnet auf das Skifahren, bei dem sie problemlos hätte
mithalten können, musste sie verzichten.
Sie kam
sich vor wie das fünfte Rad am Wagen, und ihr schien, für Alex sei sie plötzlich
nicht mehr vorhanden, wie unsichtbar geworden.
Bin ich
zu empfindlich? fragte sie sich. Bin ich unnötigerweise, geradezu kindisch eifersüchtig?
Es gab keinen Grund, auf Ada eifersüchtig zu sein, die sie ja mochte und die zudem
verheiratet war. Diese hatte sich einmal in einem Gespräch beklagt, Alex seit Ewigkeiten
nicht mehr gesehen zu haben. Das harmlose Vergnügen einer Skiabfahrt mit einem Freund
von früher wollte sie ihr doch gönnen.
Später,
nach stundenlangem Herumsitzen und Warten, musste sie die beiden lange suchen –
und fand sie endlich in einer gemütlichen Ecke eines Restaurants, die Köpfe eng
zusammen, in vertrautem, angeregtem Gespräch. Italienisch konnte Eva nicht fließend
sprechen, stellte sie einmal mehr bedauernd fest, und der Anblick der beiden tat
ihr weh.
Entschuldigend
meinte Alex nachher zu ihr, die Manzonis hätten das Mittagessen und die Fahrt mit
der Sesselbahn auch für sie beide bezahlt, er habe sich deshalb Ada besonders widmen
müssen. »Das verstehst du, nicht wahr?«
Ja, das
verstand sie und fluchte innerlich. Immer diese Italiener! Alle diese Freunde und
Freundinnen aus früheren Zeiten, die von überallher auftauchten, Alex in Beschlag
nahmen und mit ihm Touren unternehmen wollten. Er schien es zu genießen, immer im
Mittelpunkt zu stehen. Und er hatte sich natürlich nicht mit dem alten Papa Manzoni
abgegeben, sondern nur mit Ada, einzig und allein mit ihr, hatte sich von seiner
liebenswürdigsten Seite gezeigt. Eva war nicht blind. Trotzdem nickte sie und schwieg.
Es wäre sinnlos gewesen, ihm jetzt unterwegs eine Szene zu machen. Und weshalb sollte
sie eifersüchtig sein? Mehr als ein harmloser Flirt war das kaum. Trotz allem war
ihr Ada sympathisch, sie konnte und wollte ihr nicht böse sein.
Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten
sie Meran. Die Luft war hier in der Ebene spürbar südlich warm und süß von Blumen-
und Pfirsichdüften. In einem gemütlichen Gasthof kehrten sie ein. Es gab frische
Melonen, Pilze, Fleisch vom Grill und einen Blauburgunder aus Kaltern/Caldaro an
der Weinstraße. Ein Festessen.
Wiederum
schien Alex seine Schweizer Freundin kaum mehr wahr zu nehmen. Kaum oder überhaupt
nicht? Er unterhielt sich ausschließlich und lebhaft mit Ada, sie sprachen nur Italienisch,
und Eva hatte erneut Mühe, dem schnellen Gespräch zu folgen. Sie schwieg die meiste
Zeit, langweilte sich, kam sich überflüssig, geradezu allein gelassen vor.
Als sie
dann sehr spät endlich wieder zu zweit zum Völser Weiher in ihre Hütte hinauffuhren
und in der Dunkelheit über den Zaun und den Wassergraben kletterten, fragte sie
Alex, ob Ada früher einmal seine Freundin gewesen sei.
Er schien
überrascht. »Wie hast du das erraten? Ja, es stimmt, allerdings ist das sehr, sehr
lange her.«
Sie hatte
also recht, er konnte sie nicht täuschen. Ada gehörte zu seiner Vergangenheit. Das
ging sie zwar nichts an, das war vorbei. Trotzdem …
Im Verlauf
des Sommers fand sie dann nach und nach aus Beobachtungen und Bemerkungen heraus,
dass eines von Adas Kindern, der älteste Junge, möglicherweise sogar ein Kind von
Alex war – oder hätte sein können. Solche alten Geschichten wurden verdrängt oder
vertuscht, passten nicht in die römische Schickeria.
Alex unternahm eine neue Tour mit
einer Gruppe Bekannter, diesmal in die Nähe der Rosengartenspitze und des Santners.
Auf die Rosengartenspitze hinauf kletterten sie zwar nicht, sie übten einzig den
schwierigen Einstieg.
An diesem
Tag war Alex ungewöhnlich schweigsam
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