Toedliche Spiele
ein, die den Körper trocken pusten. Anstatt mit den Knoten in meinem nassen Haar zu kämpfen, lege ich einfach die Hand auf einen Kasten, der einen Luftstrom über meine Kopfhaut aussendet und das Haar in kürzester Zeit entwirrt, scheitelt und trocknet. Wie ein glänzender Vorhang fließt es auf meine Schultern herab.
Den Wäscheschrank programmiere ich auf ein Outfit nach meinem Geschmack. Auf mein Kommando zoomen die Fenster die gewünschten Stadtteile heran und wieder weg. Ich brauche nur den Namen eines Gerichts von einer gigantischen Speisekarte in ein Sprachrohr zu flüstern und im Handumdrehen steht es heiß und dampfend vor mir. Ich gehe durch den Raum, esse Gänseleber und lockeres Brot, bis es an der Tür klopft. Effie ruft mich zum Abendessen.
Gut. Ich habe nämlich einen Bärenhunger.
Als wir das Speisezimmer betreten, stehen Peeta, Cinna und Portia auf einem Balkon und schauen auf das Kapitol hinab. Ich bin froh, die Stylisten zu sehen, besonders als ich höre, dass Haymitch auch dazustoßen wird. Eine Mahlzeit nur mit Effie und Haymitch würde in einer Katastrophe enden. Außerdem geht es heute Abend nicht nur ums Essen, sondern auch darum, eine Strategie zu entwerfen, und Cinna und Portia haben bereits bewiesen, wie wertvoll sie sind.
Ein stiller junger Mann in weißer Tunika reicht uns langstielige Gläser mit Wein. Erst will ich ablehnen, aber abgesehen von dem selbst gemachten Zeug, das meine Mutter uns bei Husten verabreicht, habe ich noch nie Wein getrunken, und wann werde ich je wieder die Gelegenheit dazu bekommen? Ich trinke ein Schlückchen der säuerlichen, herben Flüssigkeit und denke insgeheim, dass sie mit ein paar Löffeln Honig besser schmecken würde.
Haymitch erscheint just in dem Augenblick, als das Essen aufgetragen wird. Offenbar hat er auch einen Stylisten, denn er sieht sauber und gepflegt aus und wirkt so nüchtern, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Zwar lehnt er den Wein nicht ab, aber als er anfängt, seine Suppe zu löffeln, wird mir bewusst, dass ich ihn zum ersten Mal essen sehe. Vielleicht wird er sich tatsächlich lange genug zusammenreißen, um uns eine Hilfe zu sein.
Cinna und Portia scheinen dazu beizutragen, dass Effie und Haymitch sich zivilisiert benehmen. Zumindest sprechen sie einander höflich an. Und was die Eröffnungsfeier angeht, so sind beide voll des Lobes für unsere Stylisten. Während sie gepflegt plaudern, konzentriere ich mich aufs Essen. Pilzsuppe, ein bitteres Gemüse mit erbsengroßen Tomaten, blutiges Roastbeef, hauchdünn geschnitten, Nudeln in einer grünen Soße, Käse, der auf der Zunge zergeht und mit süßen blauen Weintrauben serviert wird. Die Kellner, alles junge Leute in weißen Tuniken wie der, von dem wir den Wein haben, kommen und gehen wortlos und sorgen dafür, dass Teller und Gläser stets gefüllt sind.
Als ich mein Weinglas halb ausgetrunken habe, fühle ich mich leicht benebelt und steige lieber auf Wasser um. Ich mag das Gefühl nicht und hoffe, dass es bald nachlässt. Es ist mir ein Rätsel, wie Haymitch es aushält, ständig in diesem Zustand herumzulaufen.
Ich versuche mich auf das Gespräch zu konzentrieren, in dem es jetzt um unsere Interviewkostüme geht, als ein Mädchen eine umwerfend aussehende Torte auf den Tisch stellt und geschickt anzündet. Die Torte lodert auf, dann züngeln die Flammen eine Weile an den Rändern, bis sie schließlich erlöschen. Einen Moment lang bin ich im Zweifel. »Wodurch brennt das? Alkohol?«, frage ich und schaue zu dem Mädchen auf. »Das möchte ich auf gar keinen Fa... He! Dich kenne ich doch!«
Ich kann dem Gesicht des Mädchens weder einen Namen noch eine Zeit zuordnen. Aber ich bin mir sicher. Das dunkelrote Haar, die markanten Gesichtszüge, die porzellanweiße Haut. Doch schon als ich die Worte ausspreche, habe ich Angst und Schuldgefühle, und obwohl ich nicht weiß, was es ist, spüre ich, dass ich eine schlechte Erinnerung mit ihr verbinde. Das Entsetzen, das über ihr Gesicht huscht, vergrößert meine Verwirrung und mein Unbehagen nur noch mehr. Sie schüttelt den Kopf und geht eilig davon.
Als ich ihr nachsehe, schauen die vier Erwachsenen mich an wie Falken.
»Mach dich nicht lächerlich, Katniss. Woher solltest du einen Avox kennen?«, blafft Effie mich an. »Allein der Gedanke.«
»Was ist ein Avox?«, frage ich dümmlich.
»Jemand, der ein Verbrechen begangen hat. Sie haben ihr die Zunge herausgeschnitten, deshalb kann sie nicht reden«, sagt Haymitch.
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