Tödliche Täuschung
bevor ich mich von dem Fall endgültig abwende.«
»Ja? Was ist das für ein Gedanke, und inwiefern betrifft er mich oder meine Familie?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er Sie betrifft«, gab Monk zu.
»Der Gedanke, von dem ich sprach, ist der, dass sie ermordet wurde.«
Lambert beugte sich vor. »Was?« Er schien ihn ehrlich nicht verstanden zu haben.
Monk wiederholte, was er gesagt hatte.
»Warum?« Lambert verzog das Gesicht, und seine Auge n wurden schmal. »Warum sollte jemand Melville ermorden wollen? Er war der liebenswerteste… Er schluckte. »Sie war die liebenswürdigste Person, die man sich vorstellen kann. Natürlich hatte sie berufliche Konkurrenten, aber aus solchen Gründen tötet doch niemand.« Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Das ist ungeheuerlich. Und niemand außer Wolff wusste, dass sie eine Frau war. Sie wollen doch nicht andeuten, Wolff hätte sie getötet, oder? Das glaube ich nämlich nicht einen Augenblick lang!« Seine ganze Stimme, seine ganze Mimik betonten, was er gesagt hatte.
»Nein, ich auch nicht«, stimmte Monk ihm zu. »Wenn es Mord war, dann glaube ich, diente er dazu, den Fortgang des Prozesses zu verhindern.«
»Der einzige Mensch, der ein Ende des Prozesses gewollt haben konnte, war der arme Killian… Keelin… selbst.«
Lamberts Gesicht zuckte schmerzlich. »Es tut mir Leid… Es fällt mir immer noch schwer, all das zu glauben. Ich mochte sie nämlich. Ich mochte sie sehr, sogar nachdem sie - sie… verflucht! Selbst nachdem die Hochzeit mit Zillah geplatzt war, mochte ich ihn immer noch - sie!«
Er stand auf und begann rastlos und mit rudernden Armen auf und ab zu gehen.
»Ich habe den Prozess geführt, weil ich es musste!« Er sah Monk eindringlich an, um ihn von der Richtigkeit seiner Worte zu überzeugen. »Ich musste den Ruf meiner Tochter schützen! Wenn ich es nicht getan hätte, hätte man sich erzählt, Melville habe etwas über sie herausgefunden, das eine Ehe mit ihr unmöglich machte. Man hätte angenommen, sie sei unmoralisch, ein lockeres Frauenzimmer. Niemand hätte sie haben wollen.« Seine Lippen wurden schmal. »Wissen Sie, was aus einer jungen Frau wird, deren Ruf dahin ist, Mr. Monk? Sie hat keinen Platz mehr in dieser Gesellschaft!« Er hieb abermals auf die Luft ein. »Kein anständiger Mann wird sie heiraten. Sie bekommt keine Einladungen mehr in anständige Häuser. Junge Frauen mit guten Heiratsaussichten wollen nichts mehr mit ihr zu tun haben für den Fall, dass etwas von dem Schmutz an ihnen hängen bleiben könnte. Wenn sie überhaupt heiratet, dann einen Mann unter Stand, und der behandelt sie als das, was sie ist, nämlich eine Ausgestoßene.«
Er sah Monk verständnisheischend an. »Oder sie bleibt allein, abhängig von ihrem Vater, während all ihre Freundinnen Ehemänner bekommen, Häuser, eine Stellung im Leben und mit der Zeit auch Kinder. Würden Sie das für Ihre Tochter wollen? Würden Sie nicht auch alles tun, um das zu verhindern? Vor allem, wenn Sie wissen, dass Ihre Tochter an dem Ganzen keine Schuld trifft!«
»Ich würde es wahrscheinlich tun, ganz gleich, ob sie schuldig wäre oder nicht«, sagte Monk offen. Aber auch Keelin Melville war eine junge Frau gewesen, der von der Gesellschaft verwehrt wurde, was sie sich am meisten gewünscht hatte. »Was ist mit Hubert Gibbons?«
Lamberts Gesicht verriet keine Regung.
»Wer ist Hubert Gibbons?«
»Ein junger Mann, der etwa vor drei Jahren in Zillah verliebt war«, antwortete Monk. »Er war nicht standesgemäß, und ihre Romanze war zu weit gegangen. Mrs. Lambert brachte Zillah an einen anderen Ort, und zwar sehr plötzlich. Sie unternahmen eine lange Reise ans Meer - nach Nordwales. Criccieth, um genau zu sein.«
Lambert wurde plötzlich bleich. Er blieb reglos am Fenster stehen.
»Sie erinnern sich wieder?«, fragte Monk überflüssigerweise. Das Blut strömte mit Macht in Lamberts Wangen zurück. Er trat an den Schreibtisch und beugte sich vor. »Wollen Sie damit sagen, dass meine Tochter keine - keine Jungfrau mehr ist, Sir?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Monk. »Ich stimme mit Ihnen überein, dass böswillige Unterstellungen, ob sie der Wahrheit entsprechen oder nicht, einen jungen Menschen ruinieren können, und es wäre nur natürlich, wenn seine Eltern alles unternehmen, um das zu verhindern.«
Lambert holte tief Luft. »Sie beschuldigen mich, Melville ermordet zu haben, um irgendeine elende Indiskretion zu vertuschen, der ein Ende gemacht
Weitere Kostenlose Bücher