Tödliche Täuschung
beinahe erfreut zu sein, ihn zu sehen, und was auch immer im Garten ihr Interesse erregt haben mochte, es war sofort vergessen.
»Guten Tag, Mr. Monk. Wie geht es Ihnen?«
Sie sah noch immer müde aus, aber keine Regung verriet Selbstmitleid oder gar Kritik an Monk. Wieder spürte er Zorn in sich aufsteigen, Zorn über diese ganze absurde Scharade, die Keelin Melville bereits zerstört hatte und die auch Zillah weiteren Schaden zufügen würde. Er zögerte jedoch zu sagen, weshalb er hergekommen war. Was konnte es jetzt noch nutzen?
Er sah zu Sacheverall hinüber, der sich inzwischen umgedreht hatte und Zillah beobachtete. War es echte Zuneigung, die aus seinem Blick sprach, oder nur Eigennutz, gepaart mit natürlichem Verlangen nach einer äußerst attraktiven jungen Frau? Und attraktiv war sie, genau die Art Frau, die Monk selbst gefallen hätte, wäre sie ein wenig älter gewesen. Sie besaß diese ungewöhnliche Mischung aus Unschuld und Charakter.
Er musterte Sacheverall, der hinter ihr stand, und spürte erneut eine tiefe Abneigung gegen den Mann.
»Was können wir für Sie tun, Mr. Monk?«, fragte Lambert. Monk riss sich zusammen. »Es tut mir Leid, Sie zu stören« , entschuldigte er sich. »Dürfte ich vielleicht mit Ihnen allein sprechen, Mr. Lambert? Ich werde mich kurz fassen.«
Lambert blickte zu seiner Frau hinüber.
»Oh, wir haben noch reichlich Zeit vor dem Mittagessen«, versicherte sie ihm. »Für mich ist es eine Spur zu kalt, aber ich könnte mir denken, dass Mr. Sacheverall gern einen kurzen Spaziergang durch den Garten unternehmen würde. Zillah kann ihm einige unserer Schätze zeigen.«
Zillah warf ihrem Vater einen flehentlichen Blick zu, den er jedoch falsch deutete. »Ja, natürlich, mein Kind«, stimmte er zu.
»Ich glaube kaum, dass wir länger als eine halbe Stunde beschäftigt sein werden.«
Sacheverall bot ihr mit einem Lächeln und unverhohlener Freude den Arm, und Zillah ergriff ihn.
Lambert trat durch die Tür, um Monk irgendwohin zu führen , wo sie ungestört reden konnten.
Monk entschuldigte sich bei Delphine und folgte ihm.
Sie gingen in das Arbeitszimmer. Es war ein freundlicher Raum, ansprechend möbliert und mit vielen Büchern. Auf einem großen Schreibtisch lagen Papiere verstreut, und in zwei Schränken war Platz für weitere Dokumente. Gegenüber dem Schreibtisch standen vier Stühle für Besucher, und Lambert wandte sich nun mit gerunzelter Stirn zu Monk um.
»Nun, Mr. Monk, worum geht es? Hat Ihr Besuch mit Melville zu tun?« Dass er sie nicht als ›Miss‹ bezeichnete, legte die Vermutung nahe, dass er Keelin Melville immer noch als Mann betrachtete. Nach dem Schreck und der Trauer, die ihm gefolgt war, erinnerte er sich an den Freund, den er gekannt und geschätzt hatte.
»Worum geht es?«, wiederholte Lambert, der Monk noch immer keinen Stuhl angeboten hatte.
Monk hatte sich überlegt, wo er beginnen wollte. Lambert war ein Mann, der stets zur Sache zu kommen pflegte. Mit Ausflüchten konnte man bei ihm nicht viel erreichen.
»Ich habe Nachforschungen bezüglich Keelin Melvilles Tod angestellt«, sagte er direkt und ohne Lambert aus den Augen zu lassen. »Für Rathbone, aber nicht nur für ihn. Es scheint mir so…«
Er sah den Ausdruck des Schmerzes in Lamberts Gesicht.
»Der Zeitpunkt erscheint mir merkwürdig«, fuhr er fort.
»Dem Polizeiarzt zufolge muss sie das Gift genommen haben, während sie sich noch im Gerichtssaal befand, aber niemand hat gesehen, dass sie etwas gegessen oder getrunken hat. Außerdem - warum hat sie es dort getan statt später zu Hause? Warum sollte ein Mensch in der Öffentlichkeit Gift nehmen und dann nach Hause gehen, um dort allein zu sterben?«
Lambert sah ihn verwirrt und nun auch besorgt an. Bisher hatten seine Gefühle anscheinend alle vernünftigen Erwägungen verdrängt. Monks Fragen mussten eine Zudringlichkeit sein, aber er versuchte nicht, den Dingen auszuweichen.
»Was wollen Sie damit sagen, Mr. Monk? Sie sind nicht der Mann, der hierher kommt, nur um mir mitzuteilen, dass es Dinge gibt, die er nicht versteht. Sie müssen es auch nicht verstehen, es sei denn, Sie glauben, an der Sache sei irgendein Haken, etwas Kriminelles oder doch zumindest zutiefst Unmoralisches. Was erwarten Sie von mir?« Er ging auf einen der Stühle zu und setzte sich.
Monk nahm auf einem anderen Platz und schlug die Beine übereinander.
»Ein Gedanke lässt mir keine Ruhe, und ich möchte gern herausfinden, ob er falsch ist,
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