Tödliche Täuschung
mehr und mehr als ihr Komplize; jedes Mal, wenn er sie sah, fiel es ihm leichter zu verstehen, warum Keelin Melville sie so sehr gemocht hatte.
»Vielleicht benimmt sich jeder, der echter Leidenschaft fähig ist, bei der einen oder anderen Gelegenheit indiskret«, sagte er gelassen. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er selbst in seiner Jugend in die Irre gegangen sein mochte. Er hatte es vergessen, zusammen mit all seinen anderen Erinnerungen. Aber er kannte sich gut genug, um sicher zu sein, dass es solche Zwischenfälle gegeben haben musste - und wahrscheinlich nicht zu knapp.
»Das ist wohl kaum eine Haltung, die Ihnen zur Ehre gereichen dürfte, Mr. Monk«, bemerkte Delphine mit einem hastigen Seitenblick auf Sacheverall. »Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie solche Anschauungen hier nicht äußern würden. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir die Dinge sehen - oder wie wir uns benehme n. Zillah mochte diesen jungen Mann und hat ihn häufiger gesehen, als es uns wünschenswert erschien. Andererseits war es unvermeidlich, da er sich in denselben Kreisen bewegte. Bevor er eine allzu große Neigung zu ihr fassen konnte und die Grenzen des Schicklichen überschritt oder wir unbeabsichtigt Hoffnungen in ihm weckten, die sich nicht erfüllen ließen, sind wir für einen kurzen Aufenthalt nach Criccieth in Nordwales aufgebrochen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Als wir zurückkehrten, hatte er bereit s eine Vorliebe für eine andere junge Dame gefasst, die seinem Alter und seiner Stellung weitaus besser entsprach. Das Wort Leidenschaft ist wahrhaftig unpassend für eine derart kindliche Zuneigung.«
Ihre Worte wurden allgemein mit Schweigen aufgenommen , als wüssten alle Anwesenden, dass sie die Wahrheit bis an die Grenzen der Lüge strapazierte. Zillah war die Einzige, die sich darüber keine Gedanken zu machen schien.
»Was hat das alles denn mit Keelins Tod zu tun?«, beharrte sie. »Hubert hätte meinetwegen niemandem etwas angetan, ganz gleich, wie vernarrt er damals in mich gewesen war. Er sagte eine Menge Dinge, die er nicht ernst meinte. Er war ein Hitzkopf, aber er neigte nicht wirklich zu Gewalttätigkeit.«
»Natürlich nicht!«, sagte Delphine mit Nachdruck. Sie warf Zillah einen mahnenden Blick zu und drehte sich dann zu Sacheverall um. »Es war alles sehr kindlich und unschuldig, und es ist seit Jahren vorbei.«
»Nein, ist es nicht«, widersprach Zillah ihr. »Er hat mir weiter geschrieben…« Sie achtete nicht auf Delphines offenkundigen Ärger. »Ich habe mir die Briefe bei einer Freundin abgeholt. Und es hat keinen Sinn, mich Zu fragen, wer diese Freundin war, denn ich werde es dir nicht sagen…«
»Du wirst tun, was man dir befiehlt, junge Dame!«, fuhr Delphine fort und trat auf sie zu, als wolle sie sie schlagen.
»War er eifersüchtig wegen deiner Verlobung mit Melville?«, fragte Lambert, der Delphine mit einer knappen Handbewegung aufgehalten hatte. Er sah seine Tochter mit einem strengen, gleichzeitig aber auch ängstlichen Ausdruck an. »Bedeutest du ihm immer noch so viel, dass er Melville wegen seines Verhaltens dir gegenüber hasste? Sag mir die Wahrheit, Zillah. Man wird ihm nichts zur Last legen, was er nicht getan hat, aber ich lasse nicht zu, dass Keelin Melvilles Tod ungesühnt bleibt, falls ein anderer als sie selbst dafür die Verantwortung trägt. Wir sprechen hier von Mord. Ich werde keine falschen Loyalitäten dulden und keine törichten Vorstellungen von Romantik gelten lassen. Deine Verpflichtung gilt der Wahrheit, Mädchen, der Wahrheit! Hast du mich verstanden?«
»Ja, Papa.« Sie verzog keine Miene. »Ich habe Hubert geschrieben, lange nachdem Mama mich nach Wales brachte, aber ich habe ihn nie wieder gesehen, es sei denn durch Zufall und niemals allein. Er sagt, dass ich ihm immer noch etwas bedeute. Natürlich weiß ich nicht, ob das die Wahrheit ist. Aber er hat mir sehr nett geschrieben, als die Verlobung bekannt gegeben wurde, obwohl aus seinem Brief auch ein wenig Bedauern sprach.« Sie schüttelte den Kopf, als sei sie sich da sicher. »Ich kann nicht glauben, dass er es fertig gebracht hätte, Keelin etwas anzutun, ganz egal, was er empfunden haben mochte.« Ihre Stimme klang sehr ernst, und sie ignorierte alle Anwesenden im Raum bis auf ihren Vater. »Er schrieb mir, dass er mir Glück wünsche, ganz gleich, wie sehr es ihn bekümmere, dass ich einen anderen heiraten würde. Ich glaube, es war ihm ernst damit.« Zum ersten Mal
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