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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zillahs Bekümmerung drang zu ihm durch. Er machte keine Anstalten, sie zu berühren oder sie auch nur mit einem Blick zu trösten.
    Delphine hingegen war vollkommen gefasst, und Rathbone beobachtete, wie sie sich einmal vorbeugte und lächelnd eine Bemerkung zu ihrer Tochter machte. Etwas in Zillahs Miene änderte sich, aber es ließ sich unmöglich sagen, was sie empfand.
    Rathbone selbst war von einem Gefühl des Zorns erfüllt, einem Zorn, der sich teilweise gegen das Gericht und gegen Sacheverall richtete, der weit entfernt von den Lamberts Platz genommen hatte und es vermied, in ihre Richtung zu blicken. Aber Rathbones schlimmster Ärger richtete sich gegen sich selbst. Er hatte bei Keelin Melville versagt. Wäre es anders gewesen, säßen sie jetzt nicht hier, um ihren Tod zu untersuchen.
    Er wusste zwar nicht, was er hätte tun müssen, um die Tragödie zu verhindern. Er konnte sich auf kein Ereignis und keinen Zeitpunkt besinnen, da er anders hätte handeln können, aber alles in allem war das Ergebnis ein absoluter und tragischer Misserfolg. Er hatte es nicht vermocht, Keelins Vertrauen zu gewinnen. Das war der Punkt, an dem er gescheitert war.
    Warum hatte sie ihm nicht vertraut? Was hatte er gesagt oder nicht gesagt, dass sie lieber diesen schrecklichen Weg gewählt hatte, als ihm die Wahrheit zu sagen? Hatte sie ihn für skrupellos oder unehrenhaft gehalten? Hatte sie geglaubt, es fehle ihm an Mitgefühl oder Verständnis? Warum? All das waren Schwächen, die er nicht besaß. Niemand hatte sie ihm je zur Last gelegt… Man mochte ihn vielleicht für ein wenig selbstherrlich halten, auch für ehrgeizig und bisweilen sogar für kalt - was ganz und gar nicht stimmte. Er war nicht kalt, sondern neigte nur nicht zu übermäßiger Spontaneität. Und er war nicht voreingenommen - nicht im Mindesten. Nicht einmal Hester hatte bei all ihren Vorbehalten je behauptet, er sei voreingenommen.
    Der Arzt kam mit seiner Aussage zum Ende. Sie hatten nichts Neues erfahren.
    Die Polizei erklärte, dass man sie hinzugezogen habe, was den Vorschriften entsprach. Keelin Melville hatte anscheinend den ganzen Abend allein verbracht. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass eine andere Person ihre Wohnung betreten hatte.
    »Ließ irgendetwas darauf schließen, dass Miss Melville nach ihrer Rückkehr in ihr Heim an jenem Abend etwas zu sich genommen hatte?«, fragte der Coroner.
    »Wir haben nichts gesehen, Sir«, erwiderte der Polizist unglücklich. »Es schien, dass die junge Dame keinen im Haus lebenden Diener hatte. Alles stand an seinem Platz. Es war keine Mahlzeit zubereitet worden, und auch das Porzellan und die Gläser waren unbenutzt.«
    »Haben Sie nach Behältern für Tabletten oder Pulver Ausschau gehalten, Sergeant?«, hakte der Coroner nach.
    »Ja, Sir, aber wir haben nichts gefunden bis auf ein Papierbriefchen für ein Kopfschmerzpulver, das zusammengeknüllt im Papierkorb im Schlafzimmer lag. Wir haben sehr sorgfältig gesucht, Sir. Man könnte sagen, wir haben die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt.«
    »Ich verstehe. Vielen Dank. Sie haben sicher auch nach Flaschen gesucht? Selbst nach sauberen, die benutzt und anschließend ausgespült worden sein könnten?«
    »Ja, Sir. Es gab keine leeren Päckchen, keine Flaschen, Phiolen, Papier, gar nichts. Und wir haben alles, was im Gebrauch war, mitgenommen und untersucht. Das ganze harmlose Haushaltszeug, das man bei den meisten Leuten findet.«
    »Sie sind sehr gewissenhaft gewesen. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wo Miss Melville das Gift, an dem sie starb, erhalten haben könnte oder wo sie es zu sich geno mmen hat?«
    »Nein, Sir, darüber können wir nichts sagen.«
    »Vielen Dank. Das ist alles. Sie können den Zeugenstand verlassen.«
    Rathbone sah sich, als der Sergeant ging und der Polizeiarzt aufgerufen wurde, noch einmal im Saal um. Monk starrte düster vor sich hin. Er schien sich genauso elend zu fühlen wie Rathbone. In ihrem Schweigen lag eine gewisse Komplizenschaft. Keiner der beiden Männer hatte das Verlangen, seine Gedanken in Worte zu fassen. Es lag ein gewisser Trost in dem Wissen, dass er nicht allein dastand in seinem Bemühen, die Bedeutung all dessen aufzudecken, was hier geschehen war.
    Der Polizeiarzt sprach von seiner Überraschung, als er feststellte, dass es sich bei der Verblichenen um eine Frau handelte und nicht um einen Mann, wie er dem ersten Augenschein nach vermutet hatte. Aber die Tote war in körperlicher Hinsicht

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