Tödliche Täuschung
die Öffentlichkeit davon erfährt.«
Monk ging mehr als bereitwillig auf das Angebot Sandemans ein. »Er wird wegen eines gebrochenen Gelöbnisses verklagt.« Sandeman saß vollkommen reglos da. Er schwieg ungläubig.
»Ich stehe im Dienst seines Rechtsanwalts, der ihn verteidigt«, beantwortete Monk die unausgesprochene Frage.
»Ich verstehe«, sagte Sandeman mit zweifelnder Stimme. Er sah Monk argwöhnisch an. Er stand nicht so tief in Monks Schuld, dass er sich deswegen anderen gegenüber unehrenhaft gezeigt hätte, und plötzlich hatte sich eine merkwürdige Kühle über den Raum gesenkt. »Ich bezweifle, dass ich Ihnen helfen kann«, fuhr er fort. »So weit ich Melville kenne, ist er ein absolut rechtschaffener Mann, sowohl in geschäftlichen als auch in privaten Dingen. Ich habe nie etwas Nachteiliges oder Unrühmliches über ihn gehört.« Er sah Monk direkt in die Augen. »Und das kann ich Ihnen ohne jeglichen Vorbehalt versichern, wohl wissend, dass ich in Ihrer Schuld stehe.«
Monks Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Der Fall könnte unschön werden. Ich nehme an, dass die Familie des Mädchens ihm ernsthafte charakterliche Schwächen unterstellen wird, damit auch nicht der Schatten eines Zweifels auf ihre Tochter fällt. Wenn Melville in irgendeinem Punkt angreifbar ist, einem, den er uns vorenthalten hat oder den er vielleicht selbst nicht kennt, dann müssen wir darüber Bescheid wissen, um ihn verteidigen zu können.«
Sandemans Züge entspannten sich, und er ließ sich erleichtert in seinen Sessel zurücksinken. »Oh, ich verstehe.« In seinem Lächeln lag nun wieder die alte Freundlichkeit.
»Wer ist die Dame?«
Monk zögerte nicht mit seiner Antwort. »Miss Zillah Lambert.«
»Ach?« Sandeman schwieg einen Augenblick. »Ich kann Ihnen trotzdem nicht weiterhelfen. Ich weiß ein wenig über Barton Lambert. Kein sehr kultivierter Mann, aber andererseits lässt er sich auch von niemandem an der Nase herumführen. Er hat sein Vermögen mit harter Arbeit, gutem Urteilsvermögen und einem gewissen Maß an Mut gemacht. Meiner Einschätzung nach hat er keinen besonderen gesellschaftlichen Ehrgeiz, würde aber eine Demütigung auch nicht so einfach hinnehmen.«
»Und was ist mit seiner Frau?«, fragte Monk lächelnd. Sandeman holte tief Luft, und Monk hatte den Eindruck, dass er mehr wusste, als er zu sagen bereit war.
»Eine sehr hübsche Frau. Ich habe sie ein paar Mal getroffen. Einmal habe ich sogar bei ihnen zu Hause gespeist.« Er legte den Kopf leicht schräg. »Ich gestehe, dass ich kein derart schönes Haus erwartet hätte. Ich habe bei einigen der wohlhabendsten Familien Englands und einigen der ältesten gespeist, aber das Haus der Lamberts ist einfach unvergleichlich. Es ist ausgesprochen originell… ich meine in architektonischer Hinsicht. Es ist einfach großartig in seiner Andersartigkeit. Das is t Killian Melvilles Werk.« Er lächelte, als er sprach. »Man tritt in die Halle mit einem Fußboden aus roter Eiche in einem wunderbar warmen Farbton und Wänden, die in anderen Schattierungen gehalten sind. Die Farben sind wie… wie süßer und trockener Sherry… nein, eher wie brauner Zucker. Aber wegen der Fenster war der Raum voller Licht. Er vermittelte den Eindruck von Großzügigkeit und Geräumigkeit. Alle Linien waren gefällig, nichts störte, nichts war beengt.«
Monk unterbrach ihn nicht, obwohl sein Gastgeber ihm mehr über Killian Melville erzählte als über Lambert. Er wollte keine Sympathien für Melville entwickeln, weil er den Fall für hoffnungslos hielt. Es war leichter, ihn für einen Schurken oder einen Narren oder beides zu halten.
Sandeman erzählte noch immer von dem Haus. Offensichtlich gefiel ihm das Thema.
»Der Speiseraum war einfach süperb«, sagte er begeistert und beugte sich ein wenig vor. »Ich hatte schon viele prächtige Räume gesehen und dachte, mich könnte nichts mehr überraschen.« Er beobachtete Monks Reaktion auf seine Worte.
»Der Unterschied lag weniger in der eigentlichen Konstruktion als in den Details, sodass der Gesamteindruck auch hier Helligkeit und Schlichtheit vermittelte, und erst bei näherem Hinsehen wurde einem klar, was hier anders war. Im Wesentlichen ging es um die perfekte Proportion.«
»Sie wollen also sagen, dass Melville ein echtes Genie ist« , bemerkte Monk.
»Ja… ja, ich glaube, das will ich sagen«, stimmte Sandeman ihm zu. »Aber ich möchte auch bemerken, dass Lambert das verstand und zu
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