Tödliche Täuschung
nicht in dieser Weise überfallen.«
Sandemans Erleichterung war fast mit Händen zu greifen. Er zog die Tür hinter sich zu und deutete auf einen der tiefen Sessel, während er selbst auf einem der anderen Platz nahm.
»Mein lieber Freund, ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung.«
»Vielen Dank«, erwiderte Monk und setzte sich. Auf dem Weg hierher hatte er darüber nachgedacht, wie er das Thema am besten anschneiden konnte, ohne den Anschein zu erwecken, in Bereiche einzudringen, die kein Gentleman erörtern würde. Es gab keine einfache Lösung für sein Problem. »Es geht wiederum um eine heikle Angelegenheit«, begann er. »Vielleicht ein privates Problem, vielleicht auch ein finanzielles. Es ist alles noch ziemlich unklar. Und ich möchte nicht das Vertrauen des Betreffe nden missbrauchen oder seine Privatsphäre verletzen.«
»Ganz recht», sagte Sandeman schnell. »Ganz recht.«
Erleichtert lehnte er sich in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. »Also, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Monk begann seinen Bericht mit großer Umsicht. »Kennen Sie die Arbeit des Architekten Killian Melville?«
Sandeman war überrascht. »Ja! Ja, die kenne ich. Ein brillanter Bursche. Einzigartig. Seine Arbeit ist etwas völlig Neues und Unvergleichliches. Wussten Sie das? Ganz und gar ungewöhnlich«, fügte er hinzu. »Er schafft es, Räume größer aussehen zu lassen, als sie wirklich sind. Keine Ahnung, wie er das macht. Es hat was mit Farbschattierungen zu tun, mit Linienführung. Er benutzt Wölbungen und Bogen auf eine ganz ungewöhnliche Art und Weise.« Sandeman holte Luft, um fortzufahren, besann sich dann aber anders. »Ich darf natürlich nicht fragen, warum Sie das wissen wollen.«
Er blickte Sandeman lächelnd an. »Ich nehme an, es wird in der Abendzeitung stehen, falls es nicht schon heute Morgen erwähnt wurde«, erklärte er. »Unglücklicherweise lassen sich solche Dinge nicht vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen.«
Sandeman hob die Augenbrauen. »Oh? Es tut mir Leid, das zu hören. Armer Kerl. Es überrascht mich wirklich. Ich habe im Zusammenhang mit seinem Namen bisher nicht mal andeutungsweise von einem Skandal gehört.« Er sah Monk mit zusammengekniffenen Augen an. Hinter seinem freundlichen, sanften Auftreten verbarg sich ein scharfer Verstand.
»Nicht den Hauch eines Skandals?«, hakte Monk nach, wohl wissend, dass er mit äußerster Behutsamkeit vorgehen musste.
»Ich habe nichts als Lob über ihn gehört«, bestätigte Sandeman. »Natürlich gefallen seine Arbeiten nicht jedem. Wenn dem so wäre, würde das ja bedeuten, dass er Mittelmaß ist, jemand, der auf Nummer sicher geht, kurzum, bloßer Durchschnitt. Und das ist er ganz gewiss nicht. Jedermanns Freund ist niemandes Freund, den Ausdruck kennen Sie doch?« Er sah Monk fragend an, als wisse er, dass dieser ihm Recht geben würde. »Ich finde einen Mann, der stets und ständig sein Fähnchen nach dem Wind hängt und nie für sich selbst steht, absolut unerträglich. So ein Mann ist Melville nicht.« Er runzelte die Stirn. »Aber das ist kaum etwas, weshalb man einen Mann vor Gericht bringen würde. Und Sie sagten nicht, ob es sich um eine Zivilklage oder eine strafrechtliche Sache handelt.«
»Eine Zivilklage.«
»Es geht bestimmt nicht um ein Gebäude, das nicht dem gewohnten Standard entspricht.« So, wie Sandeman es sagte, war es keine Frage, sondern eine Feststellung. »Er versteht sich bestens auf seine Arbeit. Ich würde sogar behaupten, dass er der beste Architekt seiner Generation, möglicherweise des ganzen Jahrhunderts, ist.«
»Wo hat er eigentlich studiert?«, wollte Monk wissen. Sandeman dachte einen Augenb lick nach. »Hm, das weiß ich nicht«, antwortete er ein wenig erstaunt. »Ich habe nie jemanden darüber sprechen hören. Ist es wichtig?«
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Monk. »Der Kern des Problems dürfte wohl kaum so weit in der Vergangenheit liegen. Ich nehme an, es sind Ihnen nie Gerüchte zu Ohren gekommen, dass er in finanziellen Dingen nicht vertrauenswürdig sei oder…«
Sandeman fiel ihm ins Wort. »Er ist Architekt, Monk. Ein Mann voller Visionen, ein Genie. Er ist kein Bankier und kein Händler. Er verkauft Ideen. Ich glaube, statt weiter um den heißen Brei herumzureden, sollten Sie mir besser, natürlich vollkommen vertraulich, etwas über das Wesen dieser Schwierigkeiten sagen. Wenn die Sache vor Gericht verhandelt wird, dauert es ohnehin nicht mehr lange, bis
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