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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fürchte, er ist eingeschlafen und hatte einen Alptraum. Es geht ihm… ziemlich schlecht. Ich - ich weiß nicht, was ich am besten für ihn tun kann, und die arme Perdita ist furchtbar aufgeregt.« Er drehte sich halb zu Monk um. »Es tut mir Leid, dass ich stören muss«, sagte er, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Dann wandte er sich sofort wieder Hester zu. Es war nicht notwendig, sie zum Mitkommen aufzufordern; sie ging bereits zur Tür.
    Monk folgte ihr, weil er ein Ereignis, das offensichtlich eine Art Notfall war, einfach nicht ignorieren konnte. Es war aufdringlich und neugierig, mit ihnen zu gehen, und gleichzeitig unsensibel zurückzubleiben. Sein Instinkt sagte ihm, sich für Ersteres zu entscheiden.
    Athol führte sie durch die Halle und die Treppe hinauf. Wenn ihm Monks Anwesenheit merkwürdig erschien, so war er zu sehr mit seinen eigenen Sorgen besc häftigt, um eine Bemerkung darüber zu machen. An der obersten Treppenstufe stand eine Dienstbotin, eine Frau von vielleicht vierzig Jahren. Ihr mageres Gesicht war vor Sorgen zerfurcht. Ihr Blick richtete sich nicht auf Athol, sondern auf Hester. Nur einen Schritt von ihr entfernt stand eine jüngere Frau mit einem liebreizenden, verängstigten Gesicht, bleichen Wangen und zitternden Lippen. Sie rang die Hände und schien die Tränen nur mühsam zurückzuhalten.
    Die Tür hinter ihr stand einen Spaltbreit offen, und Hester ging an den beiden Frauen vorbei in das Zimmer, nachdem sie einen Moment gezögert hatte, um sich zu fassen. Monk konnte ein breites Bett sehen, in dem ein junger Mann lag. Er hatte sich zusammengekrümmt und das Gesicht tief in den Kissen vergraben. Es dauerte einen Augenblick, bis Monk klar wurde; dass sein linker Arm fehlte.
    Zuerst sah Hester gar nichts. Sie setzte sich auf das Bett und schlang die Arme um ihn, dann drückte sie die Wange in sein blondes, zerzaustes Haar und hielt ihn fest. Es war eine Geste, die Monk überraschte, denn es lagen eine Spontaneität und eine Zärtlichkeit darin, wie er sie noch nie zuvor bei ihr erlebt hatte. Sie reagierte einfach auf seinen Schmerz, nicht auf eine Berührung oder eine Bitte seinerseits. Hesters Verhalten verlieh dem Ganzen eine neue, ernstere Bedeutung.
    Athol Sheldon, der neben ihm stand, war peinlich berührt. Er räusperte sich, wie um etwas zu sagen, ließ es dann aber bleiben und schwieg. Er trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Gabriel«, sagte Hester leise, die Zuschauer draußen vor der offenen Tür ignorierend, »war es wieder James Lovat?« Gabriel nickte.
    Perdita sah Athol fragend an.
    »Ich habe keine Ahnung«, erklärte Athol. Nun trat auch er in Gabriels Zimmer. »Also wirklich, mein lieber Junge«, sagte er zu seinem Bruder, dessen Kopf noch immer halb in Hesters Armen lag. »Du musst das alles hinter dir lassen. Es ist eine Tragödie, an der sich jetzt nichts mehr ändern lässt. Du hast das Deinige getan. Jetzt musst du die Sache vergessen.«
    Hester sah mit großen, leuchtenden Augen zu ihm auf. »Man kann nicht vergessen, wie es einem beliebt, Mr. Sheldon. Manchen Erinnerungen muss man sich stellen und mit ihnen leben.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Athol ihr mit fester Stimme.
    »Dann wissen wir ja, falls Ihnen etwas Derartiges zustoßen sollte, Mr. Sheldon«, sagte Hester ungerührt, »was das Beste für Sie ist. Aber für Gabriel werden wir tun, was er wünscht.«
    »Gabriel ist krank!«, entgegnete er aufgebracht. Gefühle, die er weder verstehen noch teilen konnte, machten ihm Angst, und diese war seiner Stimme deutlich anzuhören. Er hatte keine Ahnung, welche Dämonen im Kopf seines Bruders ihr Unwesen trieben. »Es ist unsere Pflicht und ein Teil unserer… unserer Liebe zu ihm, Entscheidungen in seinem Interesse zu treffen. Ich hätte gedacht, dass Sie als Krankenschwester sich darüber im Klaren wären!« Der letzte Satz war unüberhörbar eine Anschuldigung.
    Monk holte bereits Luft, um Hester zu verteidigen, dann sah er ihr Gesicht und wusste, dass sie keine Hilfe brauchte. Sie verstand Athol besser als er selbst.
    »Wenn wir ihm helfen wollen, werden wir ihm zuhören« , antwortete sie sachlich. »Die Trauer um den Tod eines Freundes sollte nicht verdrängt werden. Sie würden nicht so sprechen, wenn James Lovat bei einem Unfall hier in England gestorben wäre statt in Cawnpore an Wundbrand.«
    »Ich würde niemanden dazu ermutigen, darüber nachzugrübeln!«, wandte Athol mit hochrotem Gesicht ein.
    »Aber darum geht es hier

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