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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hatten.
    »Ich rufe Major Albert Hillman in den Zeugenstand.«
    Major Hillman trat pflichtschuldigst in den Saal und ging mit einem deutlichen Humpeln auf seinen Platz zu. Er blickte stur geradeaus und sah weder zu Rathbone noch zu Melville hinüber, schenkte allerdings auch Sacheverall keine Beachtung, der ein wenig breitbeinig und mit durchgedrücktem Rücken dastand und Ähnlichkeit mit einem Zirkusdirektor hatte. Der Major stieg mit einiger Mühe die Stufen hinauf und legte den Eid ab.
    »Es tut mir Leid, dass ich Sie in dieser unglücklichen Angelegenheit bemühen muss, Sir«, entschuldigte Sacheverall sich bei ihm. »Ich hoffe, Ihre Verletzung bereitet Ihnen nicht allzu große Schmerzen?«
    Rathbone seufzte. Das Gebrechen des Zeugen würde sich gewiss als Kriegsverletzung erweisen, auf höchst ehrenhafte Weise erworben, was auch der Grund war, warum Sacheverall darauf aufmerksam gemacht hatte. Es war alles sehr durchschaubar, aber deswegen nicht minder wirkungsvoll.
    »Meine Pflicht, Sir«, erwiderte der Major steif. Sein Widerwille stand ihm ins Gesicht geschrieben und drückte sich auch in seiner Stimme aus.
    »Natürlich«, nickte Sacheverall. »Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Das alles wäre nicht notwendig gewesen, hätte Mr. Melville sich bereit gefunden, seine Schuld einzugestehen.« Er sah kurz zu Rathbone hinüber, wandte den Blick aber sogleich wieder ab. »Dann hätten wir uns diese unerfreulichen Enthüllungen ersparen können.«
    Der Richter beugte sich vor. »Sie haben sich hinreichend entschuldigt, Mr. Sacheverall. Bitte kommen Sie jetzt zur Sache.«
    »Mylord.« Sacheverall verbeugte sich.
    McKeevers große blaue Augen schienen sich nicht im Mindesten zu verändern, und doch konnte Rathbone selbst von seinem Platz aus die Kälte in ihnen sehen. Dieser ganze Fall hätte nicht vor Gericht kommen dürfen.
    Das Ganze war lächerlich. Ohne nachzudenken, hatte Rathbone sich erhoben.
    »Mylord! Bevor wir damit beginnen, das Privatleben zweier Männer vor der Öffentlichkeit auszubreiten und Dinge zu unterstellen, die sich nicht beweisen lassen und die uns nichts angehen sollten…«
    Sacheverall fuhr herum und starrte Rathbone mit übertriebenem Erstaunen an.
    »Mylord! Will Sir Oliver sagen, dass sexuelle Perversion und Verderbtheit die Öffentlichkeit nichts angehen, nur weil sie nicht mitten auf der Straße vollzogen werden?« Er warf mit einer dramatischen Gebärde die Arme hoch. »Ist ein Verbrechen deswegen kein Verbrechen, weil es hinter verschlossenen Türen stattfindet? Ist das seine Anschauung von Moral? Ich hoffe, er meint nicht ernst, was er da sagt?«
    Rathbone war außer sich vor Wut. Er spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg.
    »Mr. Sacheverall weiß, dass ich nichts dergleichen andeuten will!«, fuhr er auf. »Ich möchte lediglich darum bitten, dass wir uns nicht in die Niederungen obszöner, unbeweisbarer Spekulationen über das Privatleben zweier Männer herabbegeben, um Missverständnisse, Oberflächlichkeit oder schlimmstenfalls Verantwortungslosigkeit zu rechtfertigen. Das kann niemandem helfen! Alle Beteiligten würden dadurch verletzt werden, und das vielleicht vollkommen zu Unrecht. Sie…«
    »Mit anderen Worten, Mylord«, unterbrach ihn Sacheverall höhnisch, »Sir Oliver möchte, dass meine Mandantin seinem Mandanten verzeiht und die Sache einfach fallen lässt, was bedeuten würde, dass Miss Lamberts Ruf nach wie vor in Zweifel stünde, als wäre dieser und ihre zutiefst verletzten Gefühle ohne jede Bedeutung. Ich fürchte, Sir Oliver lässt es deutlich an Wertschätzung für die Reinheit und das Feingefühl der Frauen fehlen! In Anbetracht seiner Abneigung gegen skandalöse Mutmaßungen, die sich nicht beweisen lassen, möchte ich hier nicht darüber spekulieren, welches seine Gründe sein mögen!«
    Rathbone machte einen Schritt nach vorn. »Ich betrachte Miss Lamberts Ruf als äußerst wichtig«, sagte er wütend. »Der Unterschied zwischen uns ist der, dass ich auch an Mr. Melvilles Ruf denke… und an Mr. Wolffs! Er hat nichts mit diesem Fall zu tun, und doch hat er viel zu verlieren, ohne dass seine Schuld nachgewiesen werden könnte und ohne dass er irgendjemandem geschadet hätte!«
    »Das bleibt abzuwarten«, gab Sacheverall zurück. »Und was die Frage betrifft, ob derlei Taten falsch sind - oder nicht -, das wird ein anderes Gericht entscheiden. Aber ich weiß, was die Öffentlichkeit denkt!« Er lachte beinahe, als er das sagte, und wandte

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