Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Kopf gesenkt.
    »Ganz recht«, stimmte Rathbone zu. »Sie sind nicht allein , Major Hillman. Die meisten von uns wollen gar nichts über die intimen Einzelheiten aus dem Leben anderer Menschen wissen. Wir halten eine derartige Einstellung bestenfalls für aufdringlich, schlimmstenfalls für krankhafte emotionale Neugierde.«
    Sacheverall sprang auf.
    McKeever bedeutete ihm zu schweigen, aber der Blick, den er Rathbone zuwarf, warnte ihn, weiterzugehen.
    »Aber bevor Sie heute hierher kamen, Major Hillman«, sagte Rathbone mit einem Lächeln, »sind Ihnen derartige Gedanken nie gekommen? Sie haben sich nicht freundlich mit Mr. Wolff unterhalten, während Sie ihn gleichzeitig in Verdacht hatten, die Dinge zu tun, die Mr. Sacheverall angedeutet hat?«
    »Ganz gewiss nicht, Sir!«, sagte Hillman scharf. »Ich habe ihn für einen normalen Mann, in der Tat für einen Gentleman gehalten.«
    »Dann ist es also Mr. Sacheverall, der Ihre Meinung geändert hat?«
    »Jawohl, Sir.«
    Rathbone lächelte. »Und da haben wir gedacht, Ihre Aussage sei es, die seine Meinung geändert hätte. Vielen Dank, dass Sie unseren Irrtum berichtigt haben, Sir. Ich bin Ihnen sehr verpflichtet. Nun brauche ich Sie nicht weiter zu bemühen.«
    Leises Lachen war zu hören. Aber es war ein kurzlebiger Sieg, wie Rathbone sehr wohl gewusst hatte. Auf Major Hillman folgte ein Mann von weniger tadellosem Ruf, ein Müßiggänger mit schmutziger Phantasie, der nichts Besseres zu tun hatte, als zu beobachten und Schlüsse zu ziehen. Seine Aussage war außerdem kunstvoll ausgeschmückt. Die Verachtung der Geschworenen für den Mann im Zeugenstand war unübersehbar, aber sie mussten sich seinen schlüpfrigen Schilderungen dennoch anhören, und so sehr sie auch versuchen mochten, sie aus ihren Gedanken zu verbannen - es war nicht möglich. Man kann nicht vergessen, nur weil man es will. Und sie hatten geschworen, die Beweise, und zwar alle Beweise, abzuwägen, ungeachtet ihrer persönlichen Gefühle - ein Sachverhalt, auf den Sacheverall sie mehr als einmal hinwies.
    Rathbone hätte die Glaubwürdigkeit des Mannes erschüttern können, aber das hatte dieser schon selbst besorgt. Es wäre sinnlos gewesen, seine eigentliche Aussage in Zweifel zu ziehen. Jede Aufmerksamkeit, die er ihr widmete, konnte sie nur umso fester in den Köpfen der Geschworenen verankern.
    »Nein danke, Mylord«, lehnte Rathbone ab. »Mir fällt beim besten Willen nichts ein, was ich mit einem solchen Mann zu bereden hätte.«
    Die Mittagspause war kurz, gerade so lange, um ein hastiges Mahl einzunehmen, dann kehrten sie in den Gerichtssaal zurück. Ein Bewohner des Hauses, in dem Melville wohnte, schwor mit unglücklichem Gesichtsausdruck, gesehen zu haben, dass Isaac Wolff Melville besuchte und einige Zeit blieb. Aber wie sehr Sacheverall ihn auch bedrängte, er wollte sich nicht auf eine bestimmte Uhrzeit festlegen. Unlogischerweise machten gerade seine Aufrichtigkeit und sein Widerstreben seine Aussage glaubwürdig. Es war offenkundig, dass er Melville schätzte und das Verfahren als einen Einbruch in die Intimsphäre eines Mannes betrachtete.
    Dem Mienenspiel der Geschworenen nach zu urteilen, maßen sie seinen Worten großes Gewicht bei. Er weigerte sich rundheraus, Spekulationen anzustellen.
    Sacheverall entließ ihn mit nicht zu übersehender Befriedigung aus dem Zeugenstand.
    Rathbone warf einen Blick auf Barton Lambert und Zillah, die neben ihm saß und vor Kummer und Entsetzen wie betäubt war. Er hatte nur noch eine einzige Karte, die er ausspielen konnte, und es war eine Verzweiflungstat.
    Er bat um eine Vertagung des Gerichts um fünfzehn Minuten , damit er sich mit Sacheverall beraten könne.
    McKeever kam seinem Wunsch nach, vielleicht eher aus Mitleid denn aus juristischen Gründen.
    Draußen in der Halle sah Rathbone Monk und sprach ihn kurz an, aber Monk hatte ihm nichts mitzuteilen, und ein paar Minuten später ging er mit langen Schritten hinter Sacheverall her, sodass Melville allein zurückblieb.
    »Nun?«, fragte Sacheverall mit einem Grinsen. »Was jetzt?«
    »Fragen Sie Lambert, ob er diesen Weg weiter verfolgen will!«, verlangte Rathbone. Sacheveralls Augenbrauen hoben sich überrascht. »Um Gottes willen, weshalb denn? Er kann nicht verlieren!«
    »Er kann den Fall nicht verlieren«, pflichtete Rathbone ihm bei, »aber er kann das Glück und den Seelenfrieden seiner Tochter verlieren. Haben Sie ihr Gesicht gesehen? Glauben Sie, das macht ihr Freude? Sie hat

Weitere Kostenlose Bücher