Tödliche Täuschung
seine Frau ohne Liebe oder Rücksicht auf ihre Gefühle benutzt. Ich kann nicht billigen, wenn eine Frau ihren Körper verkauft, um materielle Güter, Macht oder sonst eine Vergünstigung zu erlangen, sei es innerhalb oder außerhalb der Ehe. Ich kann Grausamkeit nicht billigen, sei sie körperlicher oder seelischer Art.« Er sah Boothroyd unverwandt an. »Ich kann Lügen und Manipulationen nicht gutheißen, ebenso wenig wie Nötigung oder Erpressung, und ich billige weder Habgier noch Müßiggang, noch Eifersucht. Aber ich glaube nicht, dass wir unsere Gesellschaft bessern können, indem wir versuchen , Gesetze gegen diese Dinge zu erlassen. Wir würden damit lediglich erreichen, dass sich jede missgünstige Klatschtante und jeder heuchlerische Besserwisser in einen Schnüffler oder Verräter verwandelt.«
Boothroyd starrte ihn an, als traue er seinen Ohren nicht.
»Von allen Dingen, die ich missbillige«, fuhr Rathbone mit gesenkter Stimme fort, »geht mich die Liebe zweier Männer, solange sie sich bei ihnen zu Hause abspielt, am wenigsten an. Und ich werde auch in Zukunft kein Interesse daran haben.«
»Es überrascht mich, dass Sie das Liebe nennen!«, sagte Boothroyd scharf. »Obwohl es mich vielleicht gar nicht überraschen sollte.«
»Liebe ist für viele Beziehungen nur eine Umschreibung« , gab Rathbone heftig zurück. Er spürte, wie ihm die Röte in die Wangen schoss, als ihm klar wurde, was Boothroyd meinte, aber er war zu wütend, um den anderen Mann in die Schranken zu weisen.
»Die Bibel sagt, es sei eine Sünde«, bemerkte Boothroyd.
»Ich denke, da sind sich alle Christen einig.«
»Dasselbe sagt die Bibel von der Begierde nach einer Frau« , hielt Rathbone ihm entgegen. »In dieser Hinsicht hat Christus sich ziemlich klar ausgedrückt. Und doch haben sich die meisten von uns dieses Vergehens schuldig gemacht. Ich habe es getan, und ich werde es wahrscheinlich weiterhin tun. Wollen Sie ein Gesetz dagegen erlassen?«
»Das ist lächerlich!«
»Ganz genau«, pflichtete Rathbone ihm bei. »Es gibt viele Dinge, über die zu urteilen wir besser Gott überließen, und ich glaube, was Melville und Wolff tun, wenn sie allein sind, gehört ebenfalls zu diesen Dingen.«
»Mit dieser Meinung befinden Sie sich in der Minderheit!«, versetzte Boothroyd und stürzte den Whisky hinunter, den er ursprünglich für Rathbone mitgebracht hatte. Dann erhob er sich.
»Das heißt nicht, dass ich im Unrecht bin«, antwortete Rathbone.
»Aber es heißt, dass man Sie verdammt leicht missverstehen könnte!«, warnte Boothroyd ihn.
»Das sehe ich.« Rathbone hob sarkastisch die Augenbrauen und blieb sitzen. »Aber ich finde nicht, dass das ein einleuchtender Grund ist, meine Meinung zu ändern.«
»Das müssen Sie dann auf Ihre eigene Kappe nehmen!«
Boothroyd drehte sich um und ging davon. Rathbone blieb wütend und erschrocken zurück, war aber fest entschlossen, seine Meinung nicht zu ändern.
7
Während Rathbone sich im Gerichtssaal vergeblich abmühte, wohl wissend, dass er nur verlieren konnte, dachte Monk über jeden nur möglichen Weg nach, wie er bei einem Mitglied der Familie Lambert eventuelle Schwächen bloßlegen konnte. Zillah selbst war diejenige, bei der eine derartige Enthüllung die größte Tragweite hätte, daher begann er mit ihr.
Er sah aus dem Fenster und beobachtete die Fußgänger auf der Straße.
Es war nicht einfach für ihn, mehr als das Offensichtliche über eine junge Dame der Gesellschaft in Erfahrung zu bringen. Er gehörte nicht zu ihren Kreisen. Er war nach London gegangen, um sein Glück als Bankkaufmann zu versuchen, und war am Ende nach einer Reihe von Abenteuern bei der Polizei gelandet, erfüllt von dem leidenschaftlichen Wunsch, die Art von Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die seinen Mentor in den Ruin getrieben hatte.
Er begann rastlos im Zimmer auf und ab zu gehen.
Zillah Lambert war nicht einmal halb so alt wie er, ein verwöhntes Kind, das alle Privilegien genoss und mit den Sitten und Gebräuchen der Welt in keiner Weise vertraut war. Soweit er wusste, war dies das erste Unglück, das sie getroffen hatte. Wie konnte er ihr Leben auch nur annähernd verstehen?
Er hätte gern Hesters Rat eingeholt und erst recht den von Callandra. Aber Callandra war immer noch in Schottland, und Hester konnte er unmöglich schon wieder aufsuchen, obwohl sie ihm seltsamerweise nicht aus dem Kopf ging.
Er brauchte keinen Klatsch, aber etwas Handfestes, um Lambert zum Rückzug zu
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