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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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war nicht der Zeitpunkt für falsche Hoffnungen.
    Sacheveralls Gesichtsausdruck hätte ohnehin alle Illusionen hinweggefegt.
    »Vielleicht. Wenn die Sache vor Gericht kommt, gibt es im Grunde keine Verteidigung. Normalerweise kümmern die Gerichte sich nicht um derlei Dinge, sofern kein Minderjähriger in die Sache verwickelt ist und die Öffentlichkeit nicht damit belästigt wird.«
    Melville begann zu lachen; es war ein leises Lachen, aber erfüllt von einer wilden Verzweiflung, die ahnen ließ, dass er den Tränen nahe war.
    Ausnahmsweise ließ Rathbone alle Bedenken fahren und legte Melville eine Hand auf die Schulter.
    »Kommen Sie«, befahl er. »Das, was Sie jetzt brauchen, ist ein wenig Ungestörtheit.« Mit diesen Worten zog er Melville auf die Füße und schob ihn durch das allgemeine Gedränge, wobei er sich, für ihn höchst untypisch, sogar seiner Ellbogen bediente.
    Draußen im Flur richtete Melville sich auf. »Vielen Dank«, sagte er zittrig. »Ich habe mich jetzt wieder gefasst. Ich komme schon… zurecht.«
    Er sah erbärmlich aus, aber sein Blick war ruhig. Er verschwieg nach wie vor etwas, von dem Rathbone keine Ahnung hatte, etwas von größter Bedeutung.
    Rathbone holte Luft, um ihn noch einmal zu fragen, begriff dann aber, dass es Zeitverschwendung gewesen wäre.
    »Wollen Sie, dass ich einen Vergleich anbiete?«, fragte er und sah Melville forschend an, um hinter den klaren blauen Augen den Mann selbst zu entdecken. Was war da noch außer den grandiosen Ideen und dem umfassenden technischen Wissen? Wie sahen seine privaten Träume aus, seine Gefühle, Vorlieben und Abneigungen, seine Ängste und Erinnerungen? Oder gab es in seinem Leben keinen Raum für solche Dinge?
    »Ich werde sie nicht heiraten«, wiederholte Melville leise.
    »Ich habe sie nie gebeten, mich zu heiraten. Wenn ich mich jetzt darauf einlasse und sage, ich sei im Unrecht gewesen, obwohl das nicht stimmt, was wird in Zukunft aus all den anderen Männern, wenn ich jetzt nachgebe?«
    »Sie haben nicht nachgegeben«, antwortete Rathbone. »Sie haben verloren.«
    Melville drehte sich um und ging mit hochgezogenen Schultern und gesenktem Kopf davon. Er rempelte jemanden an, ohne es zu bemerken.
    Verwirrt, wütend und voller Mitleid für den jungen Mann eilte Rathbone hinter ihm her, entschlossen, ihm zumindest eine Kutsche zu beschaffen und dafür zu sorgen, dass er nicht weiter belästigt oder beschimpft wurde. Er holte ihn schließlich ein und begleitete ihn bis zum Hintereingang. Einige Männer, die Melville ansprechen wollten, bedachte er mit einem zornigen Blick.
    Am Straßenrand rief er in befehlendem Ton einen Hansom herbei, um Melville fast hineinzustoßen. Dann nannte er dem Fahrer die Adresse und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld.
    Als die Droschke abgefahren war, kehrte er ins Gerichtsgebäude zurück, ohne die geringste Vorstellung zu haben, was er am nächsten Tag tun konnte. Wenn die Verhandlung wieder aufgenommen wurde, musste er einen Weg finden, die gegenwärtige Meinung zu ändern. Welche Möglichkeiten gab es? Die letzte Zeugin hatte nicht wieder gutzumachenden Schaden angerichtet. Seine einzige Waffe war der Angriff, aber was konnte ihm das jetzt noch nutzen? Melville war ruiniert, wie auch immer das Urteil ausfiel. Der einzige Vorteil bestand darin, dass er wenigstens nicht auch finanziell zugrunde gerichtet wurde.
    Rathbones letzte Hoffnung, dieses Ziel zu erreichen, falls ein Appell an die Menschlichkeit nichts fruchtete, bestand darin, dass er etwas über Lambert oder seine Familie in Erfahrung brachte, das dieser lieber nicht vor den Augen der Öffentlichkeit ausgebreitet sehen wollte.
    Aber wenn Monk diese Information nicht innerhalb der nächsten zwölf Stunden beibrachte, waren ihm die Hände gebunden.
    Persönlich hätte Rathbone Melville den Rat gegeben, England zu verlassen und zu versuchen, sich in einem anderen Land eine neue Karriere aufzubauen. Vielleicht konnte er auch einen Ort finden, wo man eine freizügigere Auffassung vom Privatleben eines Mannes hatte. Solche Länder gab es gewiss, und Melvilles Talent war international, anders als die Sprache zum Beispiel. Gott sei Dank war er kein Dichter!
    Einige Schritte vor ihm stand Zillah Lambert neben ihren Eltern. Sie wirkte immer noch verwirrt, als wüsste sie nicht, was der Lärm und die Hektik um sie herum zu bedeuten hatten.
    Sache verall trat lächelnd auf sie zu.
    Delphine erblickte ihn, und ihre Miene veränderte sich sofort; plötzlich

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